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Kite

Kite

Titel: Kite
Autoren: Blake Crouch
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fühlte seinen Puls. Er ging stark.
    Suchte nach Verletzungen und stellte fest, dass er am Kopf blutete.
    Strich sein verklebtes Haar zur Seite und rechnete mit dem Schlimmsten.
    Die Kugel hatte ihn gestreift und eine klaffende Fleischwunde hinterlassen, war aber anscheinend an seinem dicken Schädel abgeprallt.
    Als Nächstes untersuchte ich Herb.
    Sein Puls ging schwach.
    Er hatte zwei Bauchschüsse abbekommen.
    Als ich seinen Bauch berührte, stöhnte er.
    »Ich hole Hilfe«, versprach ich ihm.
    Er lächelte schwach. »Jack Daniels hat mal wieder die Lage gerettet.«
    »Wir können erst sagen, wer wen gerettet hat, wenn wir alle hier rauskommen.«
    Dann ging ich zu Phin.
    Mein Mann saß aufrecht und hielt sich die Seite.
    Er lächelte mich an. »So gefällt mir mein Mädchen.«
    Ich fühlte seinen Puls.
    Schwach.
    »Mir tut alles so leid, Phin.«
    »Wie sieht unser Baby aus?«
    Meine Augen tränten.
    »Hübsch. Sie hat deine Augen.«
    Er griff nach meiner Hand und drückte sie. »Wir werden sie finden.«
    Ich nickte und spürte einen Kloß in der Kehle. »Ich liebe dich, Phin. Ich liebe dich so sehr.«
    »Ich dich auch, Baby.«
    »Und ich liebe euch alle!« Harry war wieder aufgewacht. »Sogar dich, du Fettsack.«
    Irgendwie schafften wir es alle, auf die Füße zu kommen. Wirhielten uns aneinander fest, stützten uns gegenseitig und humpelten los, weinende, zerlumpte, angeschlagene, angeschossene Gestalten, die dringend ärztliche Hilfe brauchten.
    Aber Luther hatte es nicht geschafft, uns zu brechen.
    Verdammt noch mal, wir waren ungebrochen.
    Wir verließen den Kreis der Gewalt und schleppten uns wie eine kaputte Maschine einen dunklen Korridor entlang, bis wir zu einer weiteren Eisentür gelangten.
    Dort hing eine Messingtafel.
    NEUNTER KREIS: VERRAT
    Trat er zur Seit’ und hieß mich stille stehen.
Sieh, sprach er, hier ist Dis, und hier die Stelle,
Wo dir, mit Stärke dich zu waffnen, nottut.
    Inferno, Vierunddreißigster Gesang
    Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich eintrat, und wollte schon wieder umkehren und einen anderen Weg suchen. Von Luthers Spielchen hatte ich gründlich die Schnauze voll. Doch dann dachte ich, dass sich dort drinnen womöglich weitere unschuldige Opfer befanden.
    Also stieß ich die Tür auf.
    Der Raum dahinter war längst nicht so aufwendig ausgestattet wie die anderen. Er sah eher wie eine Abstellkammer als ein Höllenkreis aus.
    Kein Wind. Kein Strom. Kein eiskalter Schlamm. Kein Feuer. Keine menschlichen Exkremente. Keine Pennys. Keine Bären.
    Nur ein einziger Mann hing in Ketten an der Wand. In seinem Mund steckte ein Knebel. Um ihn herum befand sich tonnenweise Papier im DIN-A4-Format – an die Wand gehängt, zu seinen Füßen gestapelt, sogar mit Heftklammern an Brust und Beinen befestigt.
    Ein einziges Wort zog sich in einer endlosen Buchstabenreihe über jede einzelne Seite:
    lutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherluther …
    Der Mann war nackt, ausgemergelt und von Narben bedeckt. Haare und Bart waren grau und lang. Er war bewusstlos.
    Irgendwie wusste ich, wer er war, obwohl er ganz und gar nicht so aussah wie auf dem Foto, das die Umschläge seiner Bücher zierte.
    Es war der Schriftsteller Andrew Z. Thomas.
    Ich ließ die Jungs stehen, ging zu ihm hin und nahm ihm den Knebel aus dem Mund.
    Er hatte keine Zähne.
    »Wir werden Ihnen helfen«, sagte ich, aber er war bewusstlos.
    Ich zerrte an den Ketten. Sie waren fest verankert.
    »Wir brauchen etwas, womit wir ihm die hier abnehmen können.«
    Herb und Phin blieben bei ihm, da sie zum Treppensteigen zu schwach waren. McGlade kam mit mir. Wir brauchten eine halbe Stunde, bis wir den Kontrollraum fanden.
    Er sah aus wie ein Hightech-Fernsehstudio. An drei Wänden waren Monitore befestigt, die mit Überwachungskameras in jedem von Luthers Höllenkreisen und überall in der Stadt verbunden waren. Auf einem sah ich einen Greyhound-Bus, der in einer Lagerhalle parkte. Ich sah mir der Reihe nach sämtliche Bildschirme an und suchte nach meiner Tochter.
    Ich konnte sie nicht finden. Aber sie musste ganz in der Nähe sein.
    Wo sonst?
    »Ich hab die Schlüssel gefunden«, sagte McGlade. »Und schau mal hier.«
    Auf einem Tisch lag ein riesiger Haufen Geldbörsen, Handtaschen und Handys. Ich fand sofort mein iPhone. Als ich es einschaltete, sah ich zu meiner Freude drei Signalbalken. Mithilfe der Karten-App konnte ich meinen genauen Standort bestimmen. Wir befanden uns in Dirk, Michigan, außerhalb
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