Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
wirkte sie überzeugend genug. Womöglich hatte sie zu viele Nähte aufgerissen. Jedenfalls lief das Blut schneller aus ihren Wunden, als sie geplant oder erwartet hatte.
    Ein plötzliches Schwindelgefühl raubte ihr die letzte Kraft und ihre Beine gaben nach.
    Sie war bewusstlos, bevor sie auf dem Boden lag.

Jack
    Richie führte mich an der Schwesternstation vorbei zu einem Zimmer am Ende des Flügels, wo ein anderer Polizist vor der Tür Wache stand. Das konnte nur das Zimmer sein, in dem Andrew Z. Thomas lag.
    Offenbar kannten sich die beiden Polizisten, denn sie begrüßten sich, indem sie die Fäuste aneinander stießen. Zum Glück verzichteten sie dabei darauf, Explosionsgeräusche nachzuahmen. Was war das nur mit Männern? Vielleicht hatte mich nie jemand eingeweiht, weil ich keine Eier hatte.
    Mein Aufpasser sagte: »Was geht ab, Tony?«
    »Was soll schon sein? Ich schieb hier vor der Tür Wache. Nicht viel los.«
    »Bei mir auch nicht. Und so mag ich es auch. Heute ist mein letzter Arbeitstag, dann geh ich in Rente.«
    »Hast du und deine Alte das Strandhaus in Florida gekauft?«
    »Na klar. Ich werde auf meine alten Tage nur noch Hammerhaie fangen und Rumpunsch trinken.«
    »Wer ist das?« Andrews Aufpasser deutete auf mich.
    »Ich bin Jack Daniels«, stellte ich mich vor und reichte ihm die Hand.
    »Officer Tony Satori. Schön, Sie kennenzulernen.«
    »Ist er wach?« Ich deutete mit dem Daumen über meine Schulter. »Ich würde gerne mit ihm reden.«
    »Der Arzt hat gesagt, dass keiner zu ihm darf.«
    »Ist schon in Ordnung, Tony«, sagte Richie. »Sie hat ihm das Leben gerettet.«
    Tony musterte mich von Kopf bis Fuß. »Natürlich. Sie sind doch diese Polizistin aus Chicago.«
    »War ich mal«, sagte ich.
    »Klar, gehen Sie rein. Sollen wir mit Ihnen kommen?«
    »Ich wiege mindestens zwanzig Kilo mehr als er. Ich glaube, ich komme allein zurecht.«
    Richie nickte. Ich betrat das Zimmer und machte hinter mir die Tür zu.
    Andrew lag im Bett. Seine knochigen Arme schauten unter der Decke hervor. Man hatte ihm die Haare geschnitten und den Rauschebart abrasiert, was ihn nur noch mehr wie eine Leiche aussehen ließ. Er hatte die Augen geschlossen, und mir kam es so vor, als wäre ich nicht auf Krankenbesuch, sondern bei einer Totenwache.
    »Mr Thomas?«
    Er öffnete seine dunklen Augen. »Welches Jahr haben wir?«
    Ich sagte es ihm.
    »Ich war sehr lange weg«, sagte er ohne jede Spur von Selbstmitleid oder Bitterkeit.
    »Es tut mir leid, dass er Ihnen das angetan hat.«
    Er deutete ein Schulterzucken an. »Man erntet, was man gesät hat.«
    »Wissen Sie, wer ich bin?«
    Er nickte so langsam, dass ich den Eindruck hatte, es würde ihm wehtun. »Die Polizei hat mir von Ihnen erzählt. Man hat mir gesagt, ich müsste Ihnen danken.«
    Aber er bedankte sich nicht bei mir, sondern verfiel wieder in Schweigen.
    »Er hat mein Baby«, sagte ich schließlich.
    »Das habe ich ebenfalls gehört.«
    »Wissen Sie, wo es ist?«
    »Nein.«
    Ich versuchte es auf andere Weise. »Wahrscheinlich kennenSie ihn besser als jeder andere. Was glauben Sie, dass er mit ihr gemacht hat?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe ihn schreckliche Dinge tun sehen. Vieles davon hat er mir angetan. Er hat kein Mitgefühl, kein Mitleid. Er ist die perfekte Mordmaschine. Ich habe eine ziemlich rege Fantasie, aber ich hatte nicht die geringste Vorstellung von seiner abgrundtiefen Perversion.«
    Thomas half mir nicht weiter. Im Gegenteil, er jagte mir nur noch mehr Angst ein.
    Ich fragte mich, ob die Jahre der Folter und Gefangenschaft seine Seele zerstört hatten.
    Was dachte ich eigentlich? Natürlich hatten sie das. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mann etwas wusste, war nicht besonders hoch.
    Aber ich konnte es immerhin versuchen.
    »Falls Sie irgendeine Idee haben, was er mit meiner Tochter angestellt haben könnte, sagen Sie es mir bitte.«
    »Ein paar Ideen hätte ich schon. Vielleicht hat er Ihr Baby in eine Bratpfanne getan und die Herdplatte auf niedrig geschaltet. Ein Neugeborenes kommt da nicht alleine raus. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als langsam zu braten und zu schreien und sich zu fragen, wie ihr nach neun Monaten Geborgenheit im Mutterleib so was Furchtbares passieren kann.«
    Was er sagte, war so widerlich und machte mich so wütend, dass ich ihn um ein Haar geschlagen hätte. Ich musste mich daran erinnern, dass dieser Kerl verrückt war, dass er Dinge durchgemacht hatte, die kein Mensch durchmachen sollte. Er konnte nichts

Weitere Kostenlose Bücher