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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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gezwungen, ihm wehzutun. Ich hätte auch nichts dagegen, Ihnen wehzutun, Pat.«
    »Das ist nicht nötig.«
    »Dann sagen Sie mir … was war das Schlimmste, das Sie je getan haben? Ihre tiefste, dunkelste und gravierendste Sünde.«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Nun, dann denken Sie halt einen Augenblick darüber nach.«
    Er sieht, wie ihr Blick zu der kahlen Glühbirne an der Decke emporschnellt.
    »Ich will nicht darüber reden.«
    Er nimmt das Harpy-Messer von dem Metalltisch und klappt es auf. Normalerweise genügt es, wenn das Opfer die gefährlich aussehende Klauenklinge sieht. Pats Augen weiten sich vor Angst.
    »Mein Mann …«
    »Ja?«
    »Ich bin fremdgegangen.«
    »Nur einmal oder …«
    »Mehrmals … ziemlich oft sogar.«
    »Hat er was gemerkt?«
    Sie schüttelt den Kopf, und er erkennt an ihren Tränen, dass sie die Wahrheit sagt, dass er einen wunden Punkt berührt hat.
    »Er ist letztes Jahr gestorben«, sagt sie.
    »Unerwartet?«
    »Ja.«
    »Sie hatten also nie Gelegenheit, ihm Ihre Sünden zu beichten.«
    »Es bringt mich um und frisst mich innerlich auf, und zwar jeden Tag aufs Neue.«
    »Aber ist es nicht vielleicht besser für ihn, dass er gestorben ist, ohne davon zu wissen? In dem Glauben, dass Sie die perfekte und treue Ehefrau waren?«
    »Ich weiß nicht. Er war mein bester Freund. Ich habe alles mit ihm geteilt.«
    Luther berührt über den Tisch hinweg ihre Hand. »Danke, Pat. Haben Sie vielen Dank.«

Jack
31. März, 10:30 Uhr
    »Sie hat Präeklampsie«, hörte ich jemand sagen.
    Die Stimme kam mir bekannt vor. Ich schlug die Augen auf. Anstatt daheim im Bett aufzuwachen, lag ich auf eine Bahre geschnallt in einem Rettungswagen. Phin hielt meine Hand.
    »Nein, hat sie nicht.« Eine pausbäckige Rettungssanitäterin mit strengem Blick. »Das war ein tonisch-klonischer Anfall. Sie hat keine Präeklampsie, sondern eine hundertprozentige Eklampsie. Warum liegt diese Frau nicht im Bett?«
    »Diese Frau kann Sie hören«, sagte ich, obwohl sich meine Zunge geschwollen anfühlte und meine Worte undeutlicher als erwartet klangen.
    Ich hörte ein schnelles
Pieppieppiep
und sah mehrere Sensoren auf meinem nackten, aufgeblähten Bauch. Wie ich feststellte, kam das Geräusch von einer Maschine.
    »EKG in Ordnung«, sagte die Sanitäterin. »Wie es aussieht, fehlt dem Fötus nichts. Aber Sie sollten zu Hause bleiben und sich schonen. Hat schon jemand mit Ihnen darüber geredet, die Geburt einzuleiten?«
    Ich wollte mich in eine sitzende Haltung aufrichten, aber mein Oberkörper war festgeschnallt. Durch die hinteren Türen des Krankenwagens sah ich, wie Herb, Tom und McGlade mich anstarrten. Ihre Blicke verrieten, dass sie mein Verhalten aufs Äußerste missbilligten, obwohl McGlade eher verkatert aussah.
    »Kann ich jetzt gehen?«, fragte ich.
    »Wir sollten Sie eigentlich zu einer Untersuchung ins Krankenhaus bringen. Ihr Mann hat gesagt …«
    Ich warf Phin einen wütenden Blick zu. »Er ist nicht mein Mann. Schnallen Sie mich sofort los.«
    Die Sanitäterin rührte keinen Finger.
    »Hören Sie«, sagte ich. »Ich verspreche Ihnen, dass ich nach Hause gehe und mich ausruhe. Ich weiß über Eklampsie Bescheid. Man kann nichts dagegen tun, außer gebären. Und bis dahin bleiben mir noch drei Wochen. Ich sehe also überhaupt nicht ein, warum ich ins Krankenhaus soll. Mir geht’s gut.«
    »Ihnen geht’s überhaupt nicht gut«, sagte die Sanitäterin. »Beim nächsten Anfall wachen Sie womöglich nicht mehr auf. Wenn Sie wirklich über Eklampsie Bescheid wissen, dann haben Sie bestimmt schon den Begriff
Multiorganversagen
gehört. Sie und Ihr Baby schweben in ernster Gefahr. Sie sollten wirklich ins Krankenhaus.«
    »Das ist meine Entscheidung«, sagte ich. »Nicht Ihre.« Ich sah Phin an. »Und auch nicht seine.« Da stellte ich fest, dass ich einen Infusionsschlauch im Arm hatte. »Was ist das denn?«
    »Magnesiumsulfat. Für die Krämpfe.«
    »Davon wird mir ganz übel.«
    »Nein, wovon Ihnen übel wird, das sind die Gifte, die Ihr Körper momentan produziert. Der ist im Grunde genommen eine einzige Giftküche. Bis Sie dieses Kind bekommen …«
    Ich stand kurz davor, völlig auszurasten. Plötzlich kamen mir die Tränen, und ich brach in einen Weinkrampf aus, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Ich war stur, aber nicht blöd. Ich wusste, dass ich mich wie ein egoistisches Arschloch benahm. Ich wusste, dass die Einleitung der Geburt das einzig Richtige war. Und ich wusste, dass ich mich bei

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