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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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unvorstellbar. Aber weißt du, was noch schlimmer war? Die Tatsache, dass ich jegliche Hoffnung aufgegeben hatte. Ich wusste, wie hilflos ich war und dass Alex nicht aufhören würde. Das war das Schlimmste. Für deinen Mann würde ich mein Leben geben. Ohne ihn wäre ich damals durchgedreht. Und dann bist du gekommen und hast mich gerettet. Ich stehe tief in eurer Schuld. Und es tut mir leid, dass ich dir dauernd auf die Nerven gehe. Ihr seid für mich wie eine Familie, weißt du.«
    Ah, verdammt noch mal. Ich hasste es, wenn Harry sentimental wurde. Ich fühlte mich dann nur noch schlimmer.
    »Hast du noch ein paar Tipps für mich, wie man Kinder großzieht?«, brach es aus mir hervor. Ich hoffte, damit diese melancholische Stimmung aufzuhellen.
    »Eigentlich nur einen. Liebe dein Kind. Schenk ihm so viel Liebe wie möglich. Dir bleibt nämlich nicht viel Zeit.« Er blickte düster drein. »Uns allen bleibt nie genug Zeit.«
    Ich brauchte ein wenig, um das Gesagte zu verarbeiten. Dann sagte ich: »Harry, um Gottes willen. Das klingt ja fast philosophisch.«
    »Ja. Und bring ihr bei, wie man den Würgreflex unterdrückt. Für ein Mädchen gibt es nichts Wichtigeres.«
    Ich bekam allmählich Kopfschmerzen. »Du kannst jetzt wieder die Klappe halten.«
    Das Navi kündigte unsere Ausfahrt an und McGlade verließ die Interstate. Es dauerte nicht lange, bis wir in ein Wohnviertel kamen, das aus Reihenhäusern, Doppelhaushälften und Seitenstraßen bestand, die in Sackgassen endeten. Keine reiche Gegend, aber eine mit typischem Kleinstadtflair. Es war schön, nach einer Stunde Fahrt durch eine flache, eintönige Landschaft wieder Bäume zu sehen.
    Wir näherten uns dem Haus, wo Violet King wohnte. Gerade als ich überlegte, was ich zu ihr sagen sollte, riss McGlade mich aus meinen Gedanken.
    »Versprichst du mir, dass du nicht gleich ausflippst?«, fragte er.
    Sein Ton gefiel mir nicht und ich flippte ein klein wenig aus. »Was ist denn?«
    »Ich hab aus naheliegenden Gründen den Rückspiegel im Auge behalten. Seit wir Chicago verlassen haben, folgt uns dieser alte Chevrolet Monte Carlo.«

Donaldson
28. März, drei Tage vorher
    Der Schmerz war sein ständiger Begleiter.
    Er ließ nicht nach.
    Nicht einmal im Schlaf – wenn die kurzen Episoden zwischen seinen Albträumen diesen Namen überhaupt verdienten.
    So ging es schon seit Jahren.
    Inzwischen war er drogenabhängig. An seinen verkrüppelten Beinen trug er stets zwei Codeinpflaster. Dazu kamen dreimal täglich Norco und Vicodin sowie Lorazepam, damit er schlafen konnte. Seine vernarbte Lunge ließ ihn nur mühsam und keuchend atmen. Er besaß noch sechs Finger, von denen nur vier einwandfrei funktionierten.
    Manchmal war es so schlimm, dass er stundenlang zitterte. Wäre er einer von der Sorte, die an Karma oder Gerechtigkeit oder eine höhere Macht glaubt, die für Vergeltung sorgt, so müsste er zweifelsohne zu dem Schluss kommen, dass er bekommen hatte, was er verdiente.
    So hatten es jedenfalls der Richter und die zwölf Geschworenen gesehen, als sie ihn und seine Partnerin dazu verurteilten, ihre Strafe in diesem Dreckloch zu verbüßen.
    Partnerin
. Was für ein Witz.
    Ein Witz, aus dem eine selbsterfüllende Prophezeiung wurde.
    Obwohl Donaldson unzählige Menschen auf dem Gewissen hatte und allgemein als Monster verschrien war, entschied dasGericht, dass er wegen der Schwere und Dauerhaftigkeit seiner Verletzungen keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr darstellte – weshalb er nicht in Hochsicherheitsverwahrung kam. Manchmal vergaß das Personal sogar, nachts die Tür zu seinem Zimmer abzuschließen. Einer seiner Ärzte hatte sogar den Nerv gehabt und vor Gericht ausgesagt, dass bei ihm keine Fluchtgefahr bestand, da er ohne Schmerzmittel nicht leben konnte.
    Das Gericht sah es ebenso. Das war ein Fehler – einer, der sich noch bitter rächen würde.
    Stöhnend schlurfte er den Krankenhausflur entlang und hielt sich dabei an dem rollenden Infusionsständer fest. Das rückenfreie Nachthemd gab den Blick auf die unzähligen Narben frei, die ihn von Kopf bis Fuß bedeckten. Die Krankenschwestern würdigten ihn keines Blickes. Für sie war er genauso harmlos wie ein zahnloser Hundewelpe. Trotz der Medikamente, die er in hohen Dosen einnahm, bereitete ihm das Gehen unsägliche Qualen. Bei jedem Schritt durchfuhr ihn der Schmerz wie ein elektrischer Schlag und ließ die Nervenenden, die noch intakt waren, wie Feuer brennen – eine unablässige

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