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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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einfach euer Vicodin.«
    Lucy spürte Panik in sich aufsteigen. »Henry, das kannst du nicht machen.«
    »Mit einer wie dir hab ich kein Mitleid. Wie viele arme Schweine hast du zu Tode gefoltert? Ihr seid beide Abschaum. Ich helfe euch nur, weil ich mich um meine Mutter kümmern muss.«
    Lucy wusste, dass Henry blanken Unsinn verzapfte. Den Gerüchten zufolge, die in der Anstalt kursierten, war er spielsüchtig und schuldete einem lokalen Gangster namens Dovolanni eine Riesensumme. Das war auch der Grund gewesen, warum sie auf ihn zugegangen waren.
    »Gib ihm halt das Vicodin«, krächzte Donaldson.
    Lucy griff unter ihr dünnes Gewand und betastete eins der in Klopapier eingewickelten Päckchen, um festzustellen, welche Pillen sich darin befanden. Rundlich … also Lorazepam. Sie tastete das nächste Päckchen ab – lang. Sie holte das Vicodin hervor.
    Henry riss das Klopapier auf und ließ die Pillen in seine Hand fallen.
    »Sieh mal an, ihr wart ja ganz schön fleißig.«
    »Du hast gesagt, du hättest normale Klamotten für uns«, sagte Donaldson.
    »Ja, Mann. Im Wäschekorb, unter den Betttüchern.«
    Henry steckte das Vicodin in die Tasche seiner Pflegeruniform und holte ein Paar Gummihandschuhe hervor. Diese streifte er sich über und machte sich dann daran, Leinentücher aus dem Wäschekorb zu ziehen und sie auf dem Fußboden zu stapeln. Beißender Uringeruch drang Lucy in die Nase.
    »Ist das schmutzige Bettwäsche?«
    »Ich hab sie selbst vollgepinkelt«, sagte Henry. »Wenn uns jemand unterwegs anhält, wird er bestimmt keine Lust haben, verpisste Betttücher zu durchwühlen.«
    Lucy hatte in ihrem ganzen Leben noch nie so viel Lust verspürt, jemanden umzubringen, und das sollte schon was heißen.Außerdem war sie zum ersten Mal froh darüber, dass ihre Nasenhöhle verbrannt war. Sie konnte zwar immer noch riechen, allerdings nicht mehr so gut wie früher. Donaldson hingegen verfügte nach wie vor über einen uneingeschränkten Geruchssinn – das Einzige an ihm, das noch voll funktionsfähig war.
    Der Pfleger zog das letzte Betttuch aus dem Korb. Darunter lagen ein Overall, den er Donaldson gab, und ein scheußliches Blümchenkleid für Lucy.
    »Beeilt euch«, sagte Henry.
    Lucy kam nur mit Mühe auf die Beine und nahm das Kleid von Henry entgegen. Sie taumelte auf das Waschbecken zu. Der Gedanke, sich vor den beiden Männern auszuziehen, ließ sie einen Augenblick zögern. Als sie sich das Krankenhaushemd über den Kopf zog, sah sie kurz zu Henry hinüber, damit rechnend, dass er sie lüstern anstarrte. Aber er schaute ihr nicht einmal zu. Er hatte sich komplett von ihr abgewandt, jedoch keineswegs aus Respekt. Sie wusste, dass ihr Anblick ihn ekelte. Er fand ihren Körper abstoßend.
    Verdammt, wie gerne würde sie ihn umbringen.
    Aber zumindest konnte er so die anderen Pillen nicht sehen, die sie ebenfalls in Klopapier gewickelt und ins Waschbecken gelegt hatte.
    Ihr kleiner, ausgemergelter Körper verschwand völlig unter dem Kleid. Sie steckte die Päckchen mit den Pillen in die Vordertasche und humpelte zu ihrem Partner zurück.
    »Brauchst du Hilfe, D?«
    »Ein bisschen.«
    Lucy hatte über ihre drei verbliebenen Finger mehr Kontrolle als Donaldson über seine vier. Als er in den Overall stieg, bemühte Lucy sich, nicht auf den kleinen Plastikschlauch zwischen seinen Beinen zu gucken, aber dann sah sie doch hin und verspürte einen erneuten Anflug von Mitleid.
Was zum Teufel ist nur mit mir los?
    Sie brauchte fünfundvierzig Sekunden, um die Schulterträger an Donaldsons Overall zuzuknöpfen.
    Als sie fertig war, klopfte Henry auf den Wäschekarren – ein riesiger Leinensack in einem Metallrahmen auf Rädern.
    »Eure Kutsche steht zur Abfahrt bereit.«
    Der Pfleger griff Lucy unter die Arme, hob sie über den Rand des Wäschekarrens und ließ sie hineinfallen. Sie landete auf einem Seil und einem zerbrochenen Besenstiel.
    Donaldson stieg nach ihr hinein und fiel praktisch auf sie. Lucy biss sich in den Arm, um nicht vor Schmerz laut zu schreien. Kaum hatte ihr Partner es sich einigermaßen bequem gemacht, fiel auch schon das erste nach Pisse stinkende Leintuch auf die beiden.
    Sie hörte Donaldson würgen.
    »Ist es schlimm, D?«
    Mehr Bettwäsche fiel auf sie herab – schmutzige Betttücher und Kopfkissenbezüge.
    »Verdammt noch mal, auf dem hier hat jemand gelegen, der Durchfall hatte.«
    Obwohl es eigentlich schrecklich war, musste Lucy sich ein Lachen verbeißen.
    Sie kauerte

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