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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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diesem Kerker anscheinend nicht mehr leben will.
    Aber das lässt Luther nicht zu.
    Er hat Andrew Z. Thomas sicherheitshalber einen Helm aufgesetzt. Aber wahrscheinlich hat er inzwischen gar nicht mehr die Kraft, seinen Kopf gegen die Mauer zu schlagen.
    Luther setzt sich vor ihn auf den Boden.
    »Ich höre dich ja gar nicht mehr tippen.« Er berührt die alte Schreibmaschine, die er seinem Gefangenen vor Jahren mitgebracht hat – ein perverser Scherz sozusagen. Anfangs hatte Andy jeden Tag geschrieben. Vor der Mauer liegt immer noch ein Stapel mit fünftausend einzeilig beschriebenen Seiten. Wahrscheinlich könnte man sie auf eBay verhökern und ein Vermögen damit machen.
    Die ersten paar Hundert Seiten sind gar nicht mal schlecht, aber dann lässt die Qualität merklich nach und der Text liest sich wie das wirre Gefasel eines Verrückten. Kein Wunder – die lange Gefangenschaft hat ihren Tribut gefordert.
    Zusammenhanglose Sätze.
    Dann zusammenhanglose Worte.
    Und schließlich nur noch ein einziges Wort, das sich lückenlos über fünf Bögen Papier hinzieht …
    lutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherlutherluther …
    »Ich bin fast fertig«, sagt Luther. »Aber du musst dich noch ein wenig gedulden. Schließlich geht es bei dem Ganzen ja in erster Linie um dich. Wenn du brav bist, dann gebe ich dir, was du willst. Versprochen.«
    Die Kette an der Wand rasselt, als Andy zu ihm aufblickt.
    »Und das wäre?«, sagt Andy.
    Er haucht die Worte nur, aber trotzdem starrt Luther ihn erstaunt an.
    Die ersten Worte aus Andys Mund seit über einem Jahr. Luther hat schon geglaubt, der Mann könne keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Ich lasse dich frei«, sagt Luther und steht auf.

Russell Bilg
14. März
Neunzehn Tage vorher
Fünfzehn Minuten vor dem Vorfall mit dem Bus
    Um vier Uhr nachmittags lenkte Russell Bilg den Reisebus in die Oase in Indianapolis. Die Fahrt von Philadelphia bis hierher hatte zehn Stunden gedauert. An Bord befanden sich zweiundvierzig Fahrgäste, die eine Busreise von Küste zu Küste gebucht hatten. Russell verstand nicht, wie jemand seinen Urlaub für so etwas verplempern konnte, oder noch schlimmer, sein sauer verdientes Geld. Der Bus fuhr entlang der Nordroute quer durch den Mittleren Westen, die Dakotas und Montana bis nach Seattle. Russell machte diese Tour nun schon zum vierundzwanzigsten Mal. Heute war der erste Tag und schon jetzt konnte er das Ende kaum erwarten.
    Die Reisenden stiegen einer nach dem anderen aus dem Bus und bewegten sich wie eine Schafherde auf die Oase zu, eine Raststätte mit gigantischem Supermarkt, Toiletten, Duschen und mehreren Schnellrestaurants.
    Russell hatte ihnen eingeschärft, in einer halben Stunde wieder zurück zu sein – sie hatten Reservierungen für ein Embassy-Suites-Hotel in Chicago. Er selbst wollte sich mit einem alten Kumpel zum Abendessen und auf ein paar Bier im Hopleaf treffen, seiner Lieblingskneipe.
    Während der Bus vollgetankt wurde – was bei dem riesigen Tank länger dauern würde –, schnappte Russell sich die leere Colaflasche und ging in den Laden.
    Er hatte sich den ganzen Tag in Geduld geübt, da er wusste, dass er an der Oase halten würde. Das lange Warten würde sich lohnen, denn hier gab es die besten Toiletten der Welt, mit Kabinenwänden bis zum Boden, die ein Höchstmaß an Ungestörtheit gewährten. Für eine Gebühr von fünf Dollar konnte man zwanzig Minuten lang eine garantiert saubere Luxuskabine benutzen, die über ein Bidet und eine große Auswahl an Zeitschriften verfügte.
    Russ besorgte sich ein Ticket und ging in Richtung Toiletten.
    In drei Stunden würde er in Chicago ankommen. Heute Nacht wollte er ordentlich einen draufmachen, denn morgen hatte er einen stinklangweiligen, öden Tag vor sich.
    Auf dem Programm standen …
    Der Willis Tower um halb zehn Uhr vormittags.
    Mittagessen im Signature Room im achtundfünfzigsten Stock des Hancock Center.
    Und dann ging es weiter nach St. Louis, wo sie als Erstes am Gateway Arch halten würden, dem berühmten Torbogen und Wahrzeichen der Stadt.
    Russell hatte schon eine Menge Busreisen hinter sich und wusste, dass die Leute nichts anderes wollten, als den ganzen Tag auf ihren fetten Ärschen zu sitzen.
    Er betrat den Toilettenraum und ging zu Kabine Nummer acht.
    Tippte den Code und trat ein.
    Drinnen war es blitzsauber und es duftete nach Rosen und Lavendel.
    Er ließ sich auf seinem Thron nieder, breitete eine Zeitschrift auf dem

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