Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
schwarzen Haaren drehte Russ den Rücken zu.
    Er hörte, wie der Riegel vorgeschoben wurde.
    Als der Mann sich wieder zu Russ umdrehte, hielt er ein Messer in der Hand. Die gekrümmte Klinge glänzte im Neonlicht.
    Russ’ High machte nackter Angst Platz.
    »Hören Sie zu, Mann, von mir aus können Sie meine Brieftasche haben. Aber … tun Sie mir nichts. Bitte.«
    »Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte der Mann.
    »Was Sie wollen.«
    »Nehmen Sie die Weste und das Käppi, die da hinter der Kloschüssel liegen.«
    »Ja, natürlich.«
    Russ drehte sich um, kniete sich hin und nahm seine Arbeitskleidung an sich.
    »Hier.« Er hielt sie dem Fremden hin.
    »Nein, legen Sie sie einfach auf den Spülkasten.«
    »Okay.«
    Russ tat wie ihm geheißen.
    »Vielen Dank«, sagte der Mann. »Ich wollte nur nicht, dass Ihr Blut an meine neuen Klamotten kommt.«
    Russ nahm nur ein flüchtiges Schimmern wahr, als die Klinge sich ihm blitzschnell in einem weiten Bogen näherte und ohne nennenswerten Widerstand seine Kehle durchschnitt. Er spürte ein scharfes Brennen und einen stechenden Geruch nach rostigem Metall. Dann sah er, wie Blut aus der Wunde schoss und seine Brust hinunterlief. Er wollte Luft holen, brachte aber nur einen gurgelnden Laut zustande. Das Brennen in seiner Kehle wurde mit jeder Sekunde schlimmer und vor seinen Augen tanzten leuchtende schwarze Flecken wie Glühwürmchen aus der Hölle.
    Der Mann mit den langen schwarzen Haaren nahm mehrere Lagen Toilettenpapier und wischte das Blut von der Klinge. Dann klappte er das Messer zu und steckte es wieder in die Seitentasche seiner Jeans.
    Er legte Russ beide Hände auf die Schulter und drückte ihn auf den Toilettensitz hinunter.
    »Wehr dich nicht dagegen, Bruder«, sagte der Mann. »Das macht alles nur noch schlimmer. Mach einfach die Augen zu und lass die Dunkelheit hereinbrechen.«

Luther
14. März
Neunzehn Tage vorher
Der Vorfall mit dem Bus
    Die Weste sitzt enger, als ihm lieb ist, und das Käppi ist ein paar Nummern zu groß, aber er kann damit leben.
    Er bezahlt die horrende Benzinrechnung mit Russell Bilgs Firmenkreditkarte und geht nach draußen, wo ihn ein ungemütlicher Märztag erwartet, mit bewölktem Himmel und Eisregen.
    Er braucht fünf Minuten, um den Peilsender zu finden – ein Metallgerät von der Größe eines Packs Spielkarten, das mit einem Magnet an der Innenseite der hinteren Stoßstange befestigt ist. Er entfernt den Sender und bringt ihn am Unterboden eines Minivans an, der auf der anderen Seite der Zapfsäulen parkt. Dann rammt er zwei Schraubenzieher in die Scharniere des hinteren Notausgangs. Der Bus hat zwar noch zwei Seitenfenster mit Notausstieg, aber die dürften ihm keine Probleme bereiten.
    Schließlich steigt er in den Bus und lässt seinen Blick über die Fahrgäste schweifen.
    Fast nur Senioren.
    Jede Menge graue und weiße Haare, wohin sein Auge blickt, aber damit hat er gerechnet. Er hat sogar darauf gehofft.
    Senioren haben nämlich ihren Mitmenschen einiges an Lebenserfahrung voraus. Und Lebenserfahrung schließt immer auch Sünden ein.
    Sünden jeder Art.
    Ihm wird ganz warm ums Herz, wenn er an die Möglichkeiten denkt, die sich daraus ergeben.
    »Guten Tag, Leute«, sagt er mit breitem Lächeln.
    Obwohl sie gerade eine Pause hinter sich haben, blicken die Fahrgäste müde und gelangweilt drein.
    »Mein Name ist Rob Siders und ich löse Russell Bilg ab. Ich weiß, Sie haben es wahrscheinlich nicht gemerkt, weil Mr Bilg ein äußerst professioneller Fahrer ist, aber ihm ging es heute ziemlich schlecht, und da hat er um Ablösung gebeten. Das ist auch der Grund für unsere Verspätung hier an der Oase, und ich möchte mich im Namen von Charter Bus USA dafür entschuldigen. Aber jetzt geht es weiter und wir haben noch ein paar Stunden Fahrt vor uns. Falls Sie noch Fragen haben, sagen Sie mir Bescheid.«
    Eine ältere Frau am Ende des vorderen Drittels hebt die Hand.
    »Ja, Ma’am?«
    »Hi, mein Name ist Patricia Reid.«
    »Hi Patricia.«
    »Wie lange dauert es noch bis zu unserem Hotel?«
    »Etwa drei Stunden, vorausgesetzt es gibt keine Verkehrsbehinderungen.« Luther lächelt wieder. »Na, was sagen Sie alle dazu? Kann es losgehen?«
    Ein paar Fahrgäste nicken lustlos.
    »Aber ich bitte Sie, das können wir doch besser, oder? Ich werde den Motor nicht anlassen, ehe Sie mich alle davon überzeugen, dass Sie richtig gut drauf sind. Also noch mal …« Er formt mit der Hand einen Trichter und hält ihn sich ans Ohr.

Weitere Kostenlose Bücher