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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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»Kann es losgehen?«
    Diesmal antworten ein Dutzend Leute ohne große Begeisterung mit
Yeah
-Rufen.
    »Na also, geht doch!«
    Luther stößt eine Faust in die Luft und dreht sich um, damit niemand sein fieses Grinsen sehen kann.
    Er hat schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt, und es geht erst richtig los.

    Er verlässt Indianapolis und fährt auf der I-69 nach Norden. Irgendwann wird bestimmt jemand fragen, wieso der Bus eine andere Route eingeschlagen hat und nicht mehr Richtung Chicago fährt. Aber die Fahrt dauert erst zwei Stunden und noch hat niemand was gesagt. Erst als der Bus die Grenze nach Michigan passiert, hört Luther vereinzeltes Raunen unter den Fahrgästen. Einige von ihnen starren durch die großen, getönten Fensterscheiben auf das öde Farmland hinaus, das draußen unter dem graublauen Dunstschleier eines kalten Frühjahrsabends vorbeizieht.
    Aber er fährt weiter, und noch immer beschwert sich niemand.

    Seit sie die Oase verlassen haben, sind vier Stunden vergangen. Inzwischen ist es Nacht geworden, aber den Fahrgästen winkt weder ein Abendessen noch ein Hotel. Am Ostende von Lancing sieht Luther, wie sich weiter hinten ein Mann aus seinem Sitz erhebt und durch den Gang nach vorne kommt.
    Er stellt sich hinter Luther.
    »Äh, Verzeihung, Sir.«
    Für einen kurzen Moment konzentriert Luther sich nicht auf das riesige Lenkrad, sondern blickt über die Schulter zu dem Mann hinter ihm auf – Glatze, Brille mit dicken Gläsern, um die Hüften eine Gürteltasche. Dann richtet er den Blick wieder aufdie Fahrbahn, die wie ein endloses Band unter dem Bus vorbeizieht.
    »Ein paar von uns würden gerne wissen, wo wir genau sind.«
    »In Michigan.«
    »Ja, also, die Sache ist die … Wir dachten, dass wir jetzt eigentlich in Chicago sein müssten. Es ist schon spät und wir haben alle Hunger, und morgen stehen eine Menge Sehenswürdigkeiten auf dem Programm.«
    »Ich werde eine Durchsage machen und erklären, warum sich unsere Route geändert hat«, sagt Luther.
    »Das wäre nett. Die Leute möchten einfach nur wissen, was los ist.«
    Als der Mann zurück zu seinem Sitz schlurft, nimmt Luther das Mikrofon vom Armaturenbrett und wendet sich an die Fahrgäste.
    »Leute, man hat mir in Indianapolis mitgeteilt, dass es auf der I-65 bei Gary, Indiana einen schrecklichen Unfall gegeben hat. Wir müssen also auf Plan B ausweichen. Ich weiß, Sie haben alle einen langen Tag hinter sich, aber wir werden bald am Hotel ankommen.«
    »Und was ist jetzt mit Chicago?«, nörgelt eine Oma weiter hinten.
    »Da fahren wir übermorgen hin, Ma’am.«
    »Was gibt’s in Michigan zu sehen?«
    Gute Frage, aber trotzdem geht sie ihm gewaltig auf die Nerven.
    »Wir werden eine alte Autofabrik besichtigen«, sagt er.
    »Ich will mir aber keine Autofabrik anschauen«, meldet sich eine andere Frau zu Wort. »Ich will den Sears Tower und das Hancock-Hochhaus sehen. Dafür habe ich schließlich bezahlt.«
    »Ich auch.«
    Das ist ja schlimmer, als einen Haufen Kinder in die Schule zu fahren. Luther macht sich nicht mal die Mühe, ihnen zu erklären, dass der Wolkenkratzer längst nicht mehr Sears gehört.
    Acht Kilometer zuvor hat der Bus die Interstate verlassen, und sie sind fast da. Die Randgebiete der Stadt tauchen auf, die Häuser heruntergekommen, viele stehen leer.
    Luther spricht erneut ins Mikrofon: »Glaubt mir, Leute. Wir werden die Nacht an einem ganz tollen Ort verbringen. Sie werden sich noch lange daran erinnern.«
    Er bringt den Bus komplett zum Stehen und kramt die Fernbedienung aus der Sporttasche im Fußraum. Dabei behält er die Fahrgäste sorgfältig im Auge. Die meisten von ihnen starren durch die Fensterscheiben und versuchen, draußen etwas zu erkennen.
    Na, dann viel Glück.
Diese Geisterstadt hat seit Jahren keinen Funken Elektrizität mehr gesehen, mit Ausnahme von Luthers Generatoren. Aber die sind im Augenblick nicht eingeschaltet.
    »Wo sind wir?«, will jemand wissen.
    Luther lässt die Frage unbeantwortet im Raum stehen und lenkt den Bus durch das Tor auf einen großen und leeren Parkplatz. Überall sind Schlaglöcher und umgestürzte Laternenmasten.
    »Ist das überhaupt eine richtige Straße?«, fragt ein Mann direkt hinter ihm.
    Etwas weiter entfernt taucht die erste Lagerhalle auf. Im Licht der Scheinwerfer erhebt sich langsam das Tor.
    Luther manövriert den Bus hinein, bringt ihn zum Stehen und schaltet den Motor aus.
    Dann langt er noch einmal in die Reisetasche und holt die Glock

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