Kite
überlegen, in den Anhänger. Sobald ich drinnen war, erhob ich mich von meinen abgeschürften Knien und eilte zu Herb, um ihn da rauszuholen. Mit meiner freien Hand hielt ich mir Mund und Nase zu, damit ich das Gas nicht einatmete, das Herb außer Gefecht gesetzt hatte.
Phin und Harry folgten dicht hinter mir und riefen mir zu, ich solle umdrehen. Sie versuchten, mich an den Armen festzuhalten, aber ich riss mich los und streckte die Hand nach meinem Partner aus.
»Oh Gott, hilf mir! Bitte hilf mir! VERDAMMT NOCH MAL, HILF MIR DOCH ENDLICH EINER!«
Es war wortwörtlich dasselbe Geschrei wie vorhin. Dasselbe Tempo, derselbe Tonfall.
Das war kein echter Mensch, sondern eine Tonbandaufnahme. Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitzschlag und breitete sich siedend heiß in meiner Brust aus. Reglos stand ich da und starrte Herb an, der immer noch bewusstlos am Boden lag.
Ich hatte uns alle in Gefahr gebracht.
Wir mussten so schnell wie möglich hier raus.
Als ich Herbs Arm berührte, hörte ich, wie hinter mir die metallene Rolltür heruntergelassen wurde. Zwei Sekunden bevor sie ganz zuging, blickte ich in Hausmeister Willies grinsendes Gesicht.
»Tut mir leid«, sagte ich zu Phin und Harry. »Es tut mir so furchtbar leid.«
Aber da brachen sie schon zusammen – und ich mit ihnen.
Als ich mit dem Gesicht auf dem kalten Boden des Anhängers lag, hörte ich die Stimme eines Polizisten aus Herbs Funkgerät: »Sergeant Benedict, wir haben keinen Sattelschlepper am Tatort. Wiederhole, kein Sattelschlepper am Tatort. Kommen.«
Ich konnte die Augen nicht länger offen halten.
Kurz bevor das Gas mich endgültig außer Gefecht setzte, überkam mich ein schrecklicher Gedanke.
»Sergeant Benedict?«
Wo –
»Können Sie mich hören?«
– werde ich sein –
»Sergeant Benedict!«
– wenn ich wieder zu mir komme?
Luther
2. April, 3:22 Uhr
Luther schließt die Anhängertür des Lastwagens und lässt das Giftgas wirken.
Während er wartet, entfernt er die Nase aus Latex und den Goldzahn und steckt beide ein. Dann wischt er sich den Kleber mit Alkohol aus dem Gesicht.
Zuletzt öffnet er den Gürtel, mit dem er sich das Kissen vor den Bauch geschnallt hat, und lässt es auf den Boden fallen.
Danke für die Hilfe, Hausmeister Willie
.
Luther zieht sich wieder die Gasmaske an, zählt langsam bis sechzig und öffnet die Anhängertür.
Alle vier sind bewusstlos. Es wird mehrere Stunden dauern, bis sie wieder aufwachen.
Luther zieht die Laderampe aus Stahl heraus und steigt in den Anhänger.
Er muss sich beeilen.
Er braucht fünf Minuten, um sie alle in den Van zu laden. Vor allem der Dicke bereitet ihm Schwierigkeiten, und Luther überlegt schon, ob er ihn zurücklassen soll, aber das geht leider nicht.
Alle vier auf einen Schlag, wie ein Hauptgewinn im Lotto. Er lächelt. So etwas kann er sich unmöglich entgehen lassen.
Und abgesehen davon, dass Herb zu Jacks engsten Freunden zählt, weiß Luther schon jetzt, was er mit ihm machen wird.
Nachdem er seine Opfer in den Sprinter verladen hat, schüttet Luther im hinteren Teil des Vans einen Eimer Blut aus, dasvon dem richtigen Hausmeister stammt, und dazu noch einen mit einem Gemisch aus Kellogg-Weizenkleie und Wasser.
Dann fährt er den Van vorsichtig aus dem Anhänger und weiter zum nächsten Ausgang an der Western Avenue.
Natürlich gibt es auch dort eine Polizeisperre, aber mit der Gasmaske und dem neu angebrachten Logo der Katastrophenschutzbehörde CDC – Center for Disease Control – wirkt er glaubwürdig genug, um durchgelassen zu werden.
Trotzdem wird sein Van von der Polizei angehalten.
»Machen Sie bloß nicht hinten auf!«, schreit Luther durch das geschlossene Fahrerfenster. »Lewisit-Gas!«
»Die Jungs vom SRT?«, fragt ein Polizist mit Babygesicht.
»Zivilisten, die sich auf dem Gelände aufhielten. Sie liegen im Sterben.«
Der Polizist und sein Kollege leuchten mit den Taschenlampen auf die bewusstlosen Passagiere.
Das Blut und das falsche Erbrochene lassen den Van wie einen Verletztentransport an einem Kriegsschauplatz aussehen.
»Sie müssen ins Krankenhaus! Sofort!«, schreit Luther.
Der Cop, der so aussieht, als hätte er gerade die Pubertät hinter sich, spricht in sein Walkie-Talkie und winkt ihn durch.
Perfekt.
Luther fährt hocherfreut auf die Western Avenue.
Jetzt kann der Spaß losgehen.
Intermezzo
»Der Eingang bin ich zu der Stadt der Schmerzen;
Der Eingang bin ich zu den ewigen Qualen;
Der Eingang bin
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