Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
konnte ich gern verzichten. Als ich endlich fertig angezogen war, lief ich los. Zunächst wieder über die Holzbrücke und auf dem breiten Waldweg in den Wald hinein. Die Augen hielt ich fest am Boden – auf der Suche nach verräterischem Elchköttel, die mir den Weg weisen sollten. Zwischen ein paar Blaubeersträuchern entdeckte ich, was ich suchte. Ich verließ den Weg und stapfte durch taunasses Moos und niedrige Blaubeerbüsche immer tiefer in den Wald hinein. Die ersten Sonnenstrahlen fielen bereits zwischen den Bäumen hindurch. Am Boden waberte aber immer noch der Frühnebel, der sich nur langsam auflöste. Die Luft roch herrlich nach Kiefern und feuchter Erde. Ich musste aufpassen wohin ich trat, denn hier verlief kein Pfad mehr. Manchmal gaben die dicken Moospolster unter meinen Füßen nach. Ich stolperte über die Wurzel einer Kiefer und musste mich an ihrem Stamm festhalten, um nicht auf die Knie zu fallen. So konnte es nicht weitergehen. Im Dickicht würde ich keinen Elch sehen, selbst wenn ich nur einen Meter an ihm vorbeilaufen würde! Ich musste versuchen eine Lichtung zu finden, wo die Tiere ästen. Daher schlug ich die Richtung ein, in der ich die Moorwiesen vermutete. Dort würde ich vielleicht mehr Glück haben.
Nach einiger Zeit lichtete sich der Wald tatsächlich und gab den Blick auf eine Lichtung frei. Leider waren weit und breit keine Elche zu entdecken. Ich verschnaufte kurz. Dann kehrte ich enttäuscht um. Auf dem Rückweg durch den Wald stolperte ich ausgerechnet wieder über genau die gleiche Baumwurzel, wie bereits auf dem Hinweg. Diesmal gelang es mir nicht am Stamm der Kiefer Halt zu finden und ich landete auf allen Vieren. Ich fluchte laut. Während ich versuchte meinen Fuß aus der Wurzel zu befreien, hörte ich schräg hinter mir eine vertraute Stimme.
»Hej, suchst du auf dem Boden etwas Bestimmtes?« Kjell saß auf einem Baumstumpf keine zwei Meter entfernt und schnitzte an einem Stück Holz.
»Verdammt, musst du mich so erschrecken? Was machst du überhaupt um diese Zeit hier?« Ich rappelte mich geräuschvoll wieder hoch. Warum tauchte er eigentlich immer in den ungünstigsten Momenten auf? Ich klopfte die Kiefernnadeln und den Dreck von meiner Hose.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen«, gab Kjell ungerührt zurück.
»Wenn du es genau wissen willst: Ich habe einen Morgenspaziergang gemacht, um Elche zu beobachten!« Ich trat einen Schritt auf ihn zu.
Er zog eine Augenbraue hoch und sah mich zweifelnd an. »Hier?«
»Ja«, erwiderte ich nicht ohne Trotz. »Ich weiß, dass es hier Elche geben muss. Ich habe vorhin beim Weg Elchköttel gesehen.«
»Aha. Und jetzt kriechst du auf allen Vieren durch den Wald und suchst die Spur des unsichtbaren Elchs…« Kjell lachte.
Ich schnaubte. »Mach dich nur lustig über mich. Der Elch ist nicht unsichtbar.«
Kjell blickte mich jetzt wieder ernst an, doch um seine Mundwinkel zuckte noch immer der Hauch eines Lächelns. »Oh, sag bloß, du hast einen Elch gesehen?«
»Nein, hab ich nicht«, gab ich verlegen zu. »Aber wahrscheinlich war ich einfach nur zu spät dran.«
Er entgegnete nichts.
»Also, was machst du hier?«, versuchte ich das Thema zu wechseln.
Kjell schien kurz überrascht, dass ich die Frage noch einmal aufgriff. »Ich wohne hier«, sagte er nur.
»Hier?« Ich zeigte auf den Baumstumpf und jetzt war es an mir zu grinsen.
Kjell machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hier in der Nähe.«
Er legte das Holzstück zur Seite und steckte sein Messer weg. Dann stand er auf und nun musste ich wieder zu ihm aufschauen.
»Komm, ich begleite dich ein Stück«, sagte er erstaunlich sanft.
Wir liefen zurück zum Waldweg. Die Frühnebel hatten sich mittlerweile komplett aufgelöst, als wir den Waldweg wieder erreichten. Dort blieb ich stehen. »Ich muss da entlang.«
Kjell nickte kurz. »Dann trennen sich hier unsere Wege. Wir sehen uns. Hej då!«
Das war ja mal etwas ganz Neues. Er verschwand nicht einfach wortlos, sondern verabschiedete sich von mir!
Ich lächelte ihn an »Hej då!«
Kaum war ich ein paar Schritte des Weges in Richtung Sommerhaus gegangen, rief Kjell meinen Namen. Ich drehte mich um und blieb stehen.
»Sofie, wenn du das nächste Mal durch den Wald gehst, versuch leiser zu sein. Du machst mehr Lärm als eine ganze Wildschweinsippe. Im Umkreis von einem Kilometer ist bestimmt kein einziges Waldtier mehr und schon gar kein unsichtbarer Elch.« Dann bog er lachend in einen kleinen Pfad ab und
Weitere Kostenlose Bücher