Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Beinen meine Sachen zusammensammelte und begann mich anzuziehen. Doch ich wachte nicht auf. Dieser Albtraum war wahr.
Den Weg zurück sprach keiner von uns ein Wort. Ich stolperte Kjell unsicher hinterher. Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Immer noch hoffte ich, dass er sich gleich umdrehen und mich in den Arm nehmen würde. Dass er mir irgendeine Erklärung für sein Verhalten geben würde, die ich verstand. Doch natürlich tat er es nicht. Als wir am Sommerhaus ankamen, nickte er mir kurz zu, drehte sich um und ließ mich in der Dunkelheit stehen.
Ich lehnte mich Halt suchend an die weiße Haustür. Das Zittern wurde wieder stärker. Mir sackten die Knie weg und ich rutschte, die Tür im Rücken, auf die Holzbohlen. Immerhin war ich fast ertrunken. Schon zum zweiten Mal in diesem Urlaub. Aber diesmal war es wirklich nicht meine Schuld gewesen. Warum war er nur so sauer auf mich? Seine Worte waren wie Messerstiche gewesen. Wie konnte er mich nur so tief verletzten? Alles was zuvor romantisch gewesen war, war plötzlich ohne Bedeutung. In diesem Moment wünschte ich mir, ich wäre wirklich in dem See ertrunken. Endlich kamen die Tränen. Ich weinte hemmungslos. Danach hockte ich noch so lange auf dem Boden vor der Haustür, bis meine Augen wieder ganz getrocknet waren.
10. Kapitel
Fröhliche Mädchen leben gefährlich
Als ich am nächsten Morgen erwachte, waren meine Glieder steif und ich hatte Halsschmerzen. Vermutlich würde ich nach dieser furchtbaren Nacht auch noch eine ausgewachsene Lungenentzündung bekommen. Doch all das kümmerte mich nicht. In meinem Inneren wütete eine ganz andere Kälte. Ich konnte noch immer nicht fassen, dass der Mensch, den ich liebte, der mich unter dem Vollmond geküsst und so zärtlich ›Geliebte‹ genannt hatte, nur wenige Zeit später, so gemein zu mir gewesen war. Ich konnte mir einfach keinen nachvollziehbaren Grund denken, warum Kjell sich plötzlich so verändert hatte.
Irgendein weiser Mann hatte einmal gesagt, dass Worte die schlimmsten Waffen sind. Ich konnte mich nicht erinnern, von wem dieses Zitat stammte, aber er hatte recht. Jetzt saß ich in der Küche und zog die dicke Strickjacke enger um mich. Ohne Erfolg. Mir war kalt und ich fühlte mich innerlich so hohl wie eine alte Plastikpuppe.
Kjells Waffen hatten alles, was zwischen uns gewesen war, zerstört. Warum tat es nur so weh? Und warum schien mein Herz immer noch zu glauben, es müsste sich um ein Missverständnis handeln, das sich bald aufklären würde?
Ich hatte mir eine Tasse heiße Schokolade gekocht, in der Hoffnung sie würde mich wärmen. Außerdem sollte Schokolade glücklich machen. So saß ich mit verstrubbelten Haaren in meinem Pyjama und meiner Wollstrickjacke am Küchentisch und dachte nach. So sehr ich auch versuchte, die Situation mit dem Verstand zu erfassen und zu analysieren, ich kam zu keinem logischen Ergebnis. Nach zwei weiteren Tassen Schokolade hätte ich mittlerweile so glücklich sein müssen, wie ein Glückskeks auf Droge. Doch ein Glücksgefühl wollte sich nicht mal ansatzweise einstellen. Vermutlich hätte ich eine ganze Wagenladung Schokolade trinken müssen, bis sich in meiner Situation ein Hauch von Glück eingestellt hätte. Wenigstens musste ich nicht mehr weinen und mein Magen fühlte sich nicht mehr so leer an.
Ich stand auf und stellte die Tasse in den Geschirrspüler, während mein Herz mit meinem Verstand einen inneren Kampf ausfocht, was ich nun tun sollte. Mein Herz wollte unbedingt mit Kjell sprechen. Aber diesmal siegte mein Verstand. Ich beschloss, abzureisen. Auch wenn mein Herz leise protestierte. Anscheinend liebte ich den dummen Kerl trotz allem. Wie naiv es doch war. Ich würde nicht zulassen, dass er mir den letzten Rest Würde nahm. Lieber würde ich aus seinem Leben und Schweden verschwinden – für immer.
Dennoch war ich mir unsicher, ob ich nicht wenigstens vor meiner Abreise kurz mit ihm reden sollte. Unschlüssig kaute ich auf meiner Unterlippe herum. In diesem Moment blinkte das Display meines Handys auf. Es war eine SMS von Kari. »Huhu Sofie, wie geht es dir im Land der Elche? Schreib mir mal!«
Ich begann auf die SMS zu antworten, entschied mich dann aber anders und rief Kari an. Dieser Anruf war längst überfällig.
»Hallo?«, meldete sie sich etwas außer Atem.
»Kari? Hast du kurz Zeit?«, fragte ich .
»Sofie! Schön dass du anrufst. Ich bin auf dem Weg zu einem Meeting, aber ich habe ein paar Minuten. Wie geht es dir?
Weitere Kostenlose Bücher