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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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oder die Frage nach Sein oder Nichtsein der Welt. Sie ging in die Küche, bereitete dort eine Schnittchenplatte zu und stellte sie auf den Wohnzimmertisch, Pumpernickel mit Tilsiter, Graubrot mit Salami, Petersiliensträußchen, Gewürzgürkchen, Radieschen und aufgeschnittene Tomaten. Aber niemand griff zu, nicht einmal Oma. Irgendwie verdarb uns der Weltuntergang den Appetit.
    Ich fragte mich, wie das beim Atomschlag genau zugehen würde. Was würde man hören? Einen Knall? Ein ohrenzerfetzendes Klack? Was sehen? Einen blendenden Blitz? Hätte es vorher Sirenenalarm gegeben? Hätte man noch genügend Zeit, in den Keller zu laufen? Oder nur noch die paar Sekunden, um sich eine Aktentasche in den Nacken zu legen und unterm Tisch in Deckung zu gehen, wie wir es in der Schule fleißig geübt hatten? Würde man qualvoll verbrennen? Oder Knall auf Fall schmerzlos pulverisiert werden? Würde tatsächlich die ganze Welt untergehen und womöglich durch die Wucht der Explosionen aus ihrer Umlaufbahn um die Sonne geschleudert werden? Oder würden nur die besonders gefährdeten Teile ausradiert, also wir und die Ostzone, Russland und Amerika?
    Dann hätte Hanna aber Schwein gehabt! Sie war nämlich nach dem Abitur nach Straßburg gereist, angeblich, um dort einen französischen Sprachkurs zu belegen. Da Herr Lemartin nach Ende des Schuljahrs ebenfalls wieder zurück nach Straßburg gegangen war, konnte ich mir lebhaft vorstellen, was für ein Kurs das sein würde. Statt Kröver Nacktarsch gäbe es wohl Edelzwicker dazu. Zum Wintersemester wollte Hanna dann mit dem Studium beginnen, neuerdings aber nicht mehr Tier- oder Kinderärztin werden, sondern Philosophie studieren, was meine Mutter mit einem »Um Gottes willen«, mein Vater jedoch mit einem gelassenen »Das wächst sich noch aus« quittiert hatte.
    Und Clarissa? Tinottis waren aus dem Schandfleck ausgezogen, was eigentlich keine Überraschung war, hatte Herr Tinotti mir doch damals erklärt, dass sie dort nur provvisoriamente wohnen würden. Wo sie hingezogen waren, wusste ich nicht. Clarissa hatte ich noch ein paarmal gesehen, wenn sie nachmittags in der Eisdiele kellnerte. Sie verhielt sich so freundlich wie früher, aber ihr Blick sagte, dass es zwischen uns aus und vorbei war. Vielleicht sagte der Blick auch, dass es zwischen uns nie etwas gegeben hatte, dass meine Verliebtheit blind gewesen war und ich mir ihre Zuneigung nur zusammenphantasiert hatte. Trotzdem oder vielleicht eben deshalb stürzte mich ihr Anblick jedes Mal erneut in bohrenden Liebeskummer. Doch wenn heute Nacht oder morgen früh die Atombomben fielen, wäre ich endlich mit ihr vereint. Der Gedanke besänftigte meinen Liebeskummer und nahm mir die Angst vorm Weltuntergang. Im Tod mit ihr vereint. Wie schön.
    »– schalten wir jetzt noch einmal telefonisch zu unserem Korrespondenten in Washington. Hallo Washington, hier Funkhaus Hamburg. Hören Sie mich?«
    Knacken und Rauschen im Radio.
    »Hallo Washing–«
    »Ich höre Sie gut, ja.«
    »Können Sie uns etwas Neues über die Lage berichten, etwas, das unseren Hörern Mut und Hoffnung macht?«
    »Ja, ich denke schon. Wir haben soeben aus gut unterrichteter Quelle der amerikanischen Behörden erfahren, dass sowjetische Frachtschiffe im Golf von Mexiko bis auf Sichtweite an amerikanische Zerstörer –«
    Knistern. Rauschen.
    »Verehrte Hörerinnen und Hörer an den Empfangsgeräten, unsere Leitung nach Washington ist leider gestört. Wir gehen sofort wieder auf Sender, sobald wir Neues zu berichten haben.«
    Musik.
    »Mozart«, sagte Oma.
    »Mozart ist doch ein gutes Zeichen«, fand meine Mutter. »Der ist immer so positiv.«
    Meine Mutter lag richtig. Nach zehn Minuten panischen Schweigens kam die erlösende Meldung, die russischen Frachter seien abgedreht und bereits wieder auf dem Rückweg, ohne dass auch nur ein einziger Schuss gefallen sei.
    »Das wundert mich nun aber doch sehr«, sagte mein Vater kopfschüttelnd. »Der Iwan gibt klein bei?«
    »Du bist doch nicht etwa enttäuscht?«, sagte Oma spitz.
    »Ach, Kennedy, was für ein Mann«, seufzte meine Mutter verträumt, nahm ein Radieschen, betrachtete es einen Moment wie einen ihr völlig unbekannten Gegenstand und biss dann hinein.
    »Hol mal eine Flasche Sekt aus dem Keller«, sagte Oma zu mir. »Wir leben noch. Das muss gefeiert werden.«
    Und dann tranken wir lauwarmen Deinhardt und machten uns über die Schnittchen her. Das magische Auge funkelte nicht mehr diabolisch, sondern glomm

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