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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Gamleys fortgezogen waren, dorthin gebracht und verkauft hatte. So
war nun anzunehmen, daß auf Erchany kein Boden mehr bebaut werden würde; im
Frühjahr, prophezeite Will, würde ein Schäfer angestellt werden, und wieder
ginge ein Stück Land zurück an die Schafe. Bald, sagte er, würde vom alten
Schottland nichts mehr übrig sein; bald würden es nur noch ein paar Rüpel aus
den Highlands sein, die dem Adel, der nichts als die Jagd im Kopf hatte, die Füße
küssen würden; die und ein paar Millionen irischer Raufbolde, die am Clyde
verhungerten.
    Was immer Guthrie vorhaben mochte – und Spekulationen gab es darüber
wahrlich genug –, war Erchany nun, wo er den Bauernhof aufgegeben hatte, ein
sehr einsamer Ort geworden. Denn wenn man oben aus dem Tal etwas erfahren
hatte, dann war es immer ein Gamley gewesen, der herunterkam und erzählte, und
nun war die einzige, die noch oben war und mit den Leuten in Kinkeig sprach,
die kleine Isa Murdoch. Und es sollte nicht lange dauern, bis auch Isa fort
war; wenn sie noch länger geblieben wäre, sagte sie, dann hätte sie bestens zum
alten Schwachkopf Tammas gepaßt. An dem Tag, an dem das Mädchen mit seiner
Blechkiste auf dem Kopfe das Tal herunterkam, begrüßten die alten Frauen sie,
wie die getreuen Engel Abdiel begrüßt haben mochten, und sie hingen an ihren
Lippen, als sei sie die erste, die aus Afrika Nachricht von einem neuen
Livingstone brächte. Und was sie berichtete, war ja auch wie ein Blick in ein
fernes und fremdes Land.
    Es wird Zeit, daß ich ein paar Worte über den Haushalt in Castle
Erchany sage; es herrschten seltsame Zustände in einem Haus, das seine
Bediensteten einst nach Dutzenden gezählt hatte. Seit die Guthries seinerzeit
bei dem großen Südamerika-Schwindel einen Großteil ihres Vermögens verloren,
liegt die Burg halb verlassen da; im 18. Jahrhundert hatten sie kaum
genug, sich zu kleiden, denn ihr Stolz war so groß wie ihre Schulden, und von
keinem Stückchen Acker wollten sie sich trennen. Und als sie in den ersten
Regierungsjahren der alten Königin wieder zu Vermögen kamen, da hatten sie es
nicht eilig, die verfallenden Gemäuer instandzusetzen oder sich auch nur wieder
eine standesgemäße Garderobe zuzulegen – manche Eigenheit in Ranalds Wesen mag
es schon seit Generationen in der Familie gegeben haben. Doch bevor Ranald, der
in Australien gelebt hatte, zurückkehrte, um sein Erbe anzutreten, hatten die
Gutsherren doch immerhin anständig gelebt, mit Butler und Dienern und
Dienstmädchen genug im Haus und manchmal sogar einem Geistlichen, der dem Erben
ein wenig Latein einbleute und denen, die für das geistliche Amt bestimmt
waren, ein wenig theologischen Verstand. Ranald war der erste, der ein reiner
Geizhals war: als er sein Erbe antrat, setzte er die Bediensteten vor die Tür,
genau wie er jetzt die Gamleys vor die Tür gesetzt hatte; die meisten Zimmer
schloß er ab, und wo kein Schloß war, vernagelte er eher die Türen, als daß er
nach dem Schlosser in Dunwinnie geschickt hätte; keinen Penny wollte er
ausgeben und keine Menschenseele sehen und lebte arm und allein wie die Maus in
einer Kathedrale.
    All das ist lange her, denn es war schon im Jahr 1894, daß Ranald
Guthrie Herr auf Erchany wurde. Aber auch jetzt, in der Zeit, von der ich hier
schreibe, war es nicht viel anders geworden. Mistress Menzies, die Christine
großgezogen hatte, die gute, anständige Seele, lebte nicht mehr; von der
Familie, wenn man es denn so nennen wollte, waren nur Christine und Guthrie
dort; die Hardcastles, er und seine Frau, hatten einen Seitenflügel des Hauses
für sich, und Mistress Hardcastle tat alle Arbeiten, die sie nicht Isa Murdoch
anhängen konnte, dem einzigen Dienstmädchen; und dann gab es noch den
Schwachkopf Tammas, der in der Scheune schlief und die groben Arbeiten machte.
Das war kein Ort für Isa, das große, heruntergekommene, düstere Haus voller
Echos, sie mit ihren gerade siebzehn Jahren, die gern einmal mit dem
Samstagsbus nach Dunwinnie fuhr oder abends mit den Burschen von Kinkeig durch
die Straßen zog. Die Leute hatten sich schon gewundert, warum sie immer noch
dort oben blieb; manche sagten, sie hinge an Christine und brächte es nicht
übers Herz, sie an einem so gräßlichen Ort im Stich zu lassen, andere sagten,
es seien die beiden großen Söhne von Gamley, die schließlich den ganzen
weichen, duftenden Waldboden von Erchany zu ihrem Vergnügen mit dem Mädel
hätten und die Gelegenheit schon zu

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