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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Spuren hinterlassen hatte wie die Leidenschaft eines
Bildhauers, eingegraben in das schwarze Eichenholz.
    Bis dahin hatte der Gutsherr, von ein paar gelegentlichen Kommandos
abgesehen, wenig Anteil an der Geschäftigkeit genommen, die er heraufbeschworen
hatte; beinahe, erzählte Isa, als sei er selbst noch unsicher, was er da tat.
Doch nun kam er die Treppe herauf und sah die beiden Frauen ratlos vor der Tür
zur Galerie stehen, und da begann er zu toben. Es kam selten vor, daß Guthrie
so in Wut geriet, kalt und stolz wie er war, mit einer seltsamen, grausamen
Höflichkeit, und wieder fürchtete die arme Isa sich, als sie ihn so vor der
Türe wüten sah wie Satan, der vor den Portalen tobt, an denen Sünde und Tod
ihre Wache stehen. Gleich darauf trat er an das Fenster am Treppenabsatz und
rief mit schriller, heiserer Stimme zu Tammas hinunter, der auf dem Hof zugange
war: er solle ihm seine Axt bringen, und er solle dafür sorgen, daß sie scharf
sei. Denn auch wenn er inzwischen ja über die Siebzig hinaus war, schlug
Guthrie sein Holz stets selbst und hätte es dem Gauner Gladstone beibringen
können, der damals, im Jahre ’80, die Leute von Midlothian zum Narren hielt.
Sogleich erschien Tammas mit sabberndem Maul und brachte das Befohlene, eine
Axt mit einem leicht geschwungenen, langen Stiel, die ganz anders war als die
Holzfälleräxte hier bei uns. Guthrie warf seine Jacke ab, stand aufrecht und
hager in Hemd und Hose da und rief »Platz da!« mit einer solchen Heftigkeit,
daß Tammas vor Schreck über seine eigenen schmutzigen Füße stolperte und Hals
über Kopf die Treppe hinunterfiel. Isa schrie auf und Christine lief hinunter,
um zu sehen, ob er sich verletzt hatte, doch der Hausherr hatte für nichts
Augen als für die große Eichentür zur Galerie. Schon im nächsten Moment war er
mit der Axt am Werke, wie ein Mann zuschlagen mochte, der sich aus einem
brennenden Haus befreien wollte – nur daß er sehr geschickt war und seine
Schläge leicht und schnell ansetzte, und wo ein gröberer Mann die Axt in jenem
harten Holz verkeilt hätte wie das Schwert Excalibur in seinem Felsen, da
folgte bei Guthrie Schlag auf Schlag genau da, wo er ihn haben wollte, und
jedesmal sprang die Axt ohne Mühe zurück. Beim ersten Schlag setzte ein großes
Geraschel hinter der Tür ein, und die Ratten der Galerie gerieten in Panik, als
es mit der Ruhe, die seit Generationen geherrscht hatte, so plötzlich vorbei
war. Und beim zweiten Schlag begannen die Hunde von Erchany unten auf dem Hof
zu bellen, und Tammas am Fuße der Treppe war wieder genügend zu Atem gekommen,
daß er ein Geschrei anstimmen konnte wie eine Seele im ewigen Fegefeuer. Unten
in der Küche hörte Hardcastles Frau den Radau, und halb blind und halb wirr im
Kopf, wie sie war, lief hinaus auf den Hof und läutete die alte rissige und
rostige Glocke, die schon vor Jahrhunderten Feuer oder Überfall gemeldet hatte.
Es kann kaum einen größeren Aufruhr in einer schottischen Burg gegeben haben,
seit man einst König Duncan in seinem Blute liegen fand.
    Doch Guthrie arbeitete unbeirrt weiter und schlug überall tiefe
Furchen in die Tür. Nach einer Stunde rief er schweißüberströmt nach Wasser,
spülte sich den Mund und spuckte es wieder aus; dann schlug er von neuem auf
das Holz ein. Bleich war er, berichtete Isa, mit flammendroten Flecken auf den
Wangen, doch seine Arme waren wie Stahl, und seine Beine schwankten nie. Es
wurde vier Uhr, dann fünf; ein letzter Sonnenstrahl, in dem der dicke Staub
tanzte, stieg die ausgetretenen steinernen Stufen der Treppe hinauf, und auf
dem Hof schlossen sich die langen Schatten der Zinnen an der Ostwand wie
schwarze, schartige Zähne; um halb sieben fiel die Tür zur Galerie mit einem
Donnern ein. Da kam Guthrie nach unten, zog sich frische Kleider an und
bestellte sein Abendessen, so als kehre er eben von den Geschäften eines ganz
normalen Tages zurück. Nur eine Flasche Wein gönnte er sich, eine von denen,
die am Mittag aus dem Keller heraufgekommen waren, und bot Christine davon an – so ernst und förmlich, erzählte Isa, daß man hätte denken können, er bewirte
eine Fremde, einen Gast, der mit allem Anstand und aller Höflichkeit auf
Erchany empfangen würde.
    Dies waren die Ereignisse des letzten Tages, den Isa Murdoch im
Herrenhaus verbrachte. Doch noch standen ihr die Ereignisse der Nacht bevor – Ereignisse, die ganz und gar über die Kräfte des Mädchens gingen. Danach will
ich ein wenig von Christine

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