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Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2

Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2

Titel: Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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selbst erschießen, aber leider denken viele dieser ›Spezialisten‹ hier über meinen Geisteszustand das Gleiche wie Sie … oder wollen zumindest nicht ausschließen, dass ich unter Wahnvorstellungen leide. Ich könnte aus diesem Bett aufstehen, gleich jetzt, und meine Hände um Ihren makellosen Hals legen, und dann würde ich zudrücken, bis der letzte Funke Leben aus Ihnen entwichen wäre.« Zum zweiten Mal versteifte Nadurovina sich vor Nervosität.
    »Ich glaube, dazu wären Sie nicht einmal dann in der Lage, wenn Sie völlig gesund wären«, entgegnete der viel größere Dmis gelassen. »Momentan sind Sie noch geschwächt, und ich bin wesentlich größer und stärker als Sie.«
    »Das sehe ich selbst, aber Sie haben noch nie erlebt, welche Kraft ein Mensch aus seiner Wut schöpfen kann.« Er blickte flüchtig zu der beunruhigten Psychiaterin. »Keine Sorge, Doc. Sosehr ich es auch will, ich habe nicht vor, dieses Bett in nächster Zeit zu verlassen. Nicht einmal, um in den Genuss zu kommen, einem Pitar den Hals umzudrehen.« Er sah wieder zu dem Außerirdischen. »Ich will mich noch schonen, verstehen Sie? Ich will nämlich viel mehr von euch töten als bloß einen einzigen.«
    Dmis schaute zu seiner Begleiterin. »Ich hoffe, man verabreicht Mr Mallory die für seinen Zustand erforderlichen Medikamente. Ich finde die Vorstellung beängstigend, dass er vielleicht eines Tages jemanden angreift, den er für einen Pitar hält.«
    »Ich versichere Ihnen, dass die behandelnden Ärzte alle Möglichkeiten in Betracht ziehen«, antwortete Nadurovina diplomatisch.
    »Das war ein höchst interessanter Besuch.« Der Pitar beugte sich ein wenig über den Fuß des Bettes vor und strahlte Mallory wohlwollend an. »Sobald Sie einige Beweise ersonnen haben, die Ihre Wahnvorstellungen untermauern, sorgen Sie bitte dafür, dass man mich verständigt! Ich würde diese lehrreiche Diskussion gern fortsetzen. Aber wenn Sie nichts weiter vorzubringen haben, werde ich jetzt in meine Botschaft zurückkehren und dort Bericht erstatten.« Er trat zurück und wandte sich wieder der Militärpsychiaterin zu.
    »Würden Sie mich bitte über Mr Mallorys Fortschritte auf dem Laufenden halten? Das interessiert mich. Es ist erschreckend, wie tief ein vernunftbegabtes Wesen in Wahnvorstellungen abzugleiten vermag. Aber in diesem Fall ist es recht verständlich. Auch in meinem Volk ist es nicht ungewöhnlich, wenn eine Person ein schreckliches Erlebnis zu verdrängen sucht, indem sie sich hinter einen mentalen Schutzwall zurückzieht. Da der Patient sich den Vorfall auf Argus V nicht erklären kann, hat er zu ausgefallenen Wahnvorstellungen Zuflucht genommen, damit er sich nicht mit dem bedrohlichen blinden Fleck in seiner Erinnerung befassen muss. Ich bin sicher, dass er dank Ihrer guten Behandlung nach und nach wieder den Bezug zur Realität zurückerlangt.«
    »Sein Zustand wird sich bestimmt bessern«, erwiderte Nadurovina unverbindlich und machte eine Geste zur Tür hin. Der Pitar trat vor ihr auf den Korridor hinaus.
     
    Neuneinhalb Stunden später floh Irene Tse panisch aus Zimmer 54. Aus dem Raum hinter ihr drang das Krachen zerberstender Geräte und zersplitternder Möbel. Der Lärm wurde übertönt von einem unmenschlichen Heulen, dem Mitleid erregenden Kreischen eines Mannes, der auf der rasierklingendünnen Grenze zum Wahnsinn balancierte.
    Man rief Nadurovina in ihrer Wohnung an, wo sie sich soeben mit ihrem Ehemann zum Abendessen zusammengesetzt hatte. Nachdem sie zur Klinik zurückgerast war, mit einer Geschwindigkeit, bei der ihr Fahrzeug mehrfach auszubrechen drohte, stürmte sie durch den Eingang, vorbei an verblüfftem Klinikpersonal, bis hinauf in den obersten Stock.
    Sie drängelte sich durch die Menge, die sich am einen Ende der Etage versammelt hatte, erblickte Tse und kämpfte sich unsanft zu der Stelle vor, wo die Krankenschwester saß. Obwohl die Psychiaterin keine Uniform trug, machte der Assistenzarzt, der sich um die Schwester kümmerte, ihr sogleich Platz.
    Bibbernd barg Tse das Gesicht in ihren Händen. Blut von einem tiefen Kratzer durchtränkte den rechten Ärmel ihre Dienstkleidung. Der Assistenzarzt begann, ihre Wunde zu versorgen.
    Nadurovina hatte keine Zeit für Nettigkeiten. »Was ist geschehen?« Sie packte die Handgelenke der jüngeren Frau und zog ihr die Hände vom Gesicht. »Sehen Sie mich an, Schwester!«
    Tse hob das tränenüberströmte Gesicht und sah die Ärztin an. »Ich… ich weiß es nicht.

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