Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
zusammen. »Ja? Wieso?«
Ihre Finger schlossen sich um die seinen. »Weil wir dann nicht diese Unterhaltung führen könnten.«
Er starrte sie noch einen Moment lang an. Dann begann er zu weinen. Diesmal nicht lautlos, und auch nicht kräftig schluchzend, sondern ganz normal - auf die Art, in derjeder Mann weinen würde, wenn er von seinen Gefühlen überwältigt wird. Die schiere Gewöhnlichkeit seiner Tränen erleichterte Tse sehr.
Er hörte so unvermittelt auf, dass sie sich gleich wieder Sorgen machte.
»Alwyn, was ist los, stimmt etwas nicht?«
»Alles in Ordnung.« Er wischte sich beinahe zornig über die Augen, als wolle er sie für ihren Verrat an seiner eingebildeten Gleichgültigkeit bestrafen. »Mir ist gerade wieder etwas eingefallen.«
»Ist es wichtig?«
»Ich glaube schon.« Er nickte langsam. »Es ist ein Beweis.«
Nadurovina war nicht die Erste, die in den Raum stürmte. Rothenburg war schneller. Danach folgte Chimbu, begleitet von einem Pfleger. Noch mehr Leute hatten den Raum betreten wollen, doch der Chefarzt hatte sich dagegen ausgesprochen. Eingedenk des Amoklaufs des Patienten wollte Chimbu ihm nicht das Gefühl geben, unter Druck zu stehen. Und das bedeutete auch, dass Mallorys Krankenzimmer nicht von Menschen überfüllt werden durfte.
Im Bett nickte Mallory wissend vor sich hin. »Hatte mir schon gedacht, dass es um meine Privatsphäre noch immer nicht sonderlich gut bestellt ist.«
Rothenburg ließ sich nicht abweisen. »Sie sagten, Sie hätten sich an einen Beweis erinnert. Das habe ich genau gehört. Laut und deutlich. Was ist das für ein Beweis?«
Mallory sah den Offizier des Nachrichtendienstes festen Blickes an. »Sie glauben, dass ich mir die Geschichte mit den Pitar ausgedacht habe. Sie alle glauben, dass ich spinne, dass mein Verstand mir was vorgaukelt, um zu verdrängen, was ich in Wirklichkeit gesehen habe. Der lächelnde Bastard von einem Pitar, den Sie hergebracht haben, damit er sich mit mir unterhält, wollte auch, dass Sie das glauben.«
»Dann überzeugen Sie uns doch!« Rothenburg ignorierte die mahnenden Blicke von Nadurovina und forderte Mallory offen heraus. »Sorgen Sie dafür, dass wir dumm aussehen. Nur zu, machen Sie’s! Sagen Sie mir die Wahrheit ins Gesicht!«
Mallory sah dem Major noch einen Moment lang in die Augen, dann senkte er den Blick auf das Bett. »Das kann ich nicht. Noch nicht.«
Nadurovina, sichdich aufgebracht, zwang sich dazu, in möglichst ruhigem Ton zu sprechen. »Warum nicht? Sie sagten doch, Sie haben einen Beweis.«
»Das ist leider nicht das richtige Tempus, Colonel. Die treffende Formulierung lautet: ich hatte einen Beweis.«
Rothenburg wäre am liebsten vorgesprungen, hätte die auf dem Bettrand sitzende Schwester beiseite gestoßen und Mallory geschüttelt, bis dieser sich endlich klar ausdrückte. »Also schön. Sie ›hatten‹ einen Beweis. Was für einen? Es müsste schon ein absolut handfester Beweis sein, der keine Zweifel offen lässt.«
Gelassen begegnete Mallory dem wütenden Blick des Offiziers. »Wie wär’s mit ein paar Stunden Bildmaterial, nachweislich von den Medien aufgezeichnet, Bildmaterial, auf dem zu sehen ist, wie die Pitar Treetrunk verwüsten? Erwachsene und Kinder niederschießen, Gebäude dem Erdboden gleichmachen, in Panzeranzügen durch die Straßen laufen? Chirurgen, die Frauen ausweiden und deren Organe konservieren?« Er hatte wieder angefangen zu zittern, doch seine Stimme blieb fest. »Wie wär’s damit, Major? Wäre das ›Beweis‹ genug?«
»Ja.« Rothenburg richtete sich auf. »Ja, wenn unsere Fachleute die Echtheit des Materials zweifelsfrei bestätigen können, würde das vermutlich genügen. Wo ist dieses Material?«
Der Mann im Bett schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Sie …?«, setzte Rothenburg an, doch verstummte augenblicklich, als Nadurovina ihn bei der Schulter packte.
»Ich meine«, murmelte Mallory, der offenbar mit sich rang, »ich weiß es zwar, aber nicht genau. Ich glaube, ich kann es finden.« Er wirkte aufrichtig hilflos. »Ich hab’s versteckt.«
Rothenburg blickte auf einen kleinen Punkt an der Decke und bellte einige Befehle. »Erneute Sicherheitskontrolle! Ich will, dass dieses Gebäude abtastsicher ist, nicht nur dieser Raum! An die Arbeit!« Als jemand seine Befehle durch einen verborgenen Lautsprecher bestätigte, nickte er energisch und wandte sich wieder Mallory zu. »Also schön. Sie haben also irgendwo eine Aufzeichnung
Weitere Kostenlose Bücher