Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
Mallory wird klar genug bei Verstand sein, um sich an das Versteck zu erinnern.«
»Sein Verstand spielt keine Rolle«, bellte Rothenburg. »Hauptsache, sein Orientierungssinn funktioniert!« Wieder erinnerte er sich an den Patienten im Bett und fügte hinzu: »Nichts für ungut.«
»Sie beleidigen einen zwar ständig, entschuldigen sich aber wenigstensjedes Mal dafür«, meinte Mallory heiter.
16
Sie legten die lange Reise zum Argus-System mit einem Kriegsschiff zurück. Man wies Mallory ein Offiziersquartier zu, an das zwei Ordonanzunterkünfte angrenzten. Tse machte es sich in einer davon bequem und Chimbu in der anderen. Obwohl Mallory heftig dagegen protestierte, dass man sein Quartier mit so vielen Überwachungskameras ausgestattet hatte, ignorierte man seine Einwände höflich. Solange das Beweismaterial nicht gefunden wäre, würde man Alwyn Mallory nicht einmal gestatten, unbeaufsichtigt das Badezimmer aufzusuchen.
Er war zu wichtig - so wichtig, dass der plusraumtaugliche Dreadnought, der ihn wieder nach Treetrunk brachte, von einem Konvoi aus Kreuzern und Zerstörern umgeben war.
Das war eine unglaublich kostspielige Eskorte für einen einzigen Mann. Doch selbst wenn Rothenburg um eine halbe Flotte gebeten hätte, wäre sie ihm zur Verfügung gestellt worden. Aus Gründen der Geheimhaltung hatte er sich jedoch dagegen entschieden. Die Verlegung einer kleinen Kampfgruppe würde nicht sonderlich auffallen. Militärschiffe flogen regelmäßig nach Argus. Mallorys Eskorte war sicherlich ungewöhnlich groß, aber nicht so groß, dass sie Aufsehen erregt hätte.
Als die Schiffe eines nach dem anderen aus dem Plusraum in den Normalraum transitierten, wirkte der wichtigste Passagier des Konvois rein äußerlich ganz entspannt. Ob in ihm etwas brodelte, wusste nur er. Nadurovina war krank vor Sorge um ihn. In etwas geringerem Ausmaß traf dies auch auf Chimbu, Rothenburg und noch einige andere zu, die darin eingeweiht waren, wieso eine ganze Kampfgruppe dem Argus-System einen Besuch abstattete. Von denen, die dem wichtigsten Patienten der modernen Medizin am nächsten standen, war nur Tse entspannt und zuversichdich.
»Er ist stärker, als Sie glauben«, sagte sie eines Morgens zu Nadurovina, als sie gerade bei echtem Kaffee und kalorienfreien Beignets beisammen saßen.
»Taxonomisch gesehen, kann man diesen Alwyn Mallory wohl nur als zähen Bastard bezeichnen.« Die Psychiaterin tunkte ein Beignet in ihren Kaffee. »Außerdem weiß ich, dass er einen starken Schutzwall um sich herum aufbaut, um nicht zeigen zu müssen, was er wirklich fühlt. Er wäre kein Mensch, wenn er sich anders verhielte. Aber wir wissen beide, dass er trotz seiner munteren Art und des dicken Fells, das er nach außen zur Schau trägt, immer ganz dicht an der Grenze zum Zusammenbruch steht. Das hat er bewiesen, als er gewalttätig wurde und sein erstes Krankenzimmer demoliert hat.« Sie senkte die Stimme ein wenig. »Was einmal passiert ist, kann wieder passieren. Als die Ärztin, die für sein seelisches Wohl zu sorgen hat, muss ich diese Möglichkeit immer in Betracht ziehen.«
»Ich wollte seinen Zustand nicht verharmlosen.« Tse hatte während der vergangenen Wochen an Gewicht verloren, wie Nadurovina bemerkte, wohingegen Mallory ein wenig zugenommen hatte. Diät? Sorgen? Angst? »Ich weiß, dass Alwyn einen schrecklichen Schock überwunden hat, ohne den Verstand zu verlieren.« Sie lächelte die Militärärztin zögerlich über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg an. »Er beschreibt es gern so, dass die Scharniere in seinem Verstand zwar noch intakt, aber eingerostet sind.«
»Hat er noch etwas über die Stelle gesagt, an der er angeblich die Aufzeichnung versteckt hat?«
Rings um sie herum schlenderten Mannschaftsmitglieder zwischen der Essensausgabe und den Tischen hin und her, schwatzten in kleinen Gruppen miteinander oder frühstückten allein. Die Crew des Dreadnoughts wusste nur, dass man Treetrunk einen Besuch abstatten würde. Manche vermuteten, dass der Zwischenstopp als realistische Objektstudie in Grausamkeit dienen solle, um den Besatzungen der riesigen KK-Dreadnoughts zu verdeutlichen, dass sie niemals unachtsam sein dürften. Derlei abwegige Gerüchte wurden von den Vorgesetzten noch gefördert.
»Nicht ›angeblich‹«, erwiderte Tse streng. »Er hat sie versteckt. Sie existiert wirklich. Wir müssen sie nur noch finden.«
Nadurovina nippte an ihrem Kaffee. Inzwischen mochte sie die jüngere Frau recht gern,
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