Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
können, wo er die Aufzeichnung vergraben hatte. Theoretisch.
Ohne auch nur einmal zu zögern und ohne dass er erkennbar aus Angst gezittert hätte, betrat Mallory die Luftschleuse. Zwei Techniker waren vor ihm in die Schleuse getreten, ein dritter begleitete die sichtlich nervöse Tse. Offenbar fiel es ihr schwer, sich zu beherrschen. Doch sie hatte darauf bestanden, an der Exkursion teilzunehmen, da sie bei Mallory sein wollte, falls er einen Rückfall erlitte. Sie musste ihn einfach begleiten, nicht bloß um seinetwillen. Ihre Beziehung hatte sich längst weit über jede berufliche Verpflichtung hinaus entwickelt. Nadurovina folgte Tse in die Schleuse, während ein vierter Techniker dem Personal auf der anderen Seite des Luks signalisierte, dass alles in Ordnung sei und sie fortfahren könnten.
Es ging allen gut, mit Ausnahme von Tse, die jedoch zum Glück verschiedene Meditations- und Atemübungen beherrschte, mit denen sie sich unter Kontrolle behielt. Diese Übungen waren Teil ihrer Ausbildung gewesen. Nun musste sie sie zum ersten Mal auf sich selbst anwenden, anstatt auf einen Patienten. Ihre Emotionen zu kontrollieren war jedoch eine völlig andere Angelegenheit. Aber irgendwie schaffte sie auch das.
Das Außenluk öffnete sich, und das matte Licht der Systemsonne fiel herein. Die ersten beiden Techniker stiegen elegant aus. Einer nach dem anderen sanken sie sanft auf die felsige Oberfläche hinab. Ungeachtet der Vorschriften bestand Mallory darauf, Tse bei der Hand zu nehmen und mit ihr gemeinsam auszusteigen. Zur insgeheimen Erleichterung aller kamen die beiden ohne Probleme auf der Oberfläche an.
Nachdem das gesamte Bodenteam das Reparaturschiff verlassen hatte, löste Mallory sich von der Gruppe und versuchte, sich zu orientieren. Wenn das Schiff exakt die gleiche Position eingenommen hatte wie damals sein Rettungsboot, dann musste es etwa vierzig Grad rechts von ihm einen Hügel geben, der wie ein abgebrochener Zahn aussah. Er drehte sich in die entsprechende Richtung und war froh, den Hügel exakt an der Stelle zu sehen, an die er sich erinnerte. Schätzungsweise fünfzig Meter von seinem jetzigen Standpunkt entfernt musste es einen kleinen, flachen Krater geben. Er setzte sich in Bewegung, und die anderen folgten ihm in respektvollem Abstand. Niemand achtete aufmerksamer auf Mallorys Bewegungen als Irene Tse.
Der Krater war ein klein wenig weiter entfernt, als er es in Erinnerung hatte, doch handelte es sich eindeutig um die gleiche Vertiefung. Um sicherzugehen, schritt er den Durchmesser ab. Ungefähr sieben Meter. Die Orientierungspunkte reihten sich in seiner Erinnerung auf wie Gewinnzahlen auf einem Spielautomaten, wobei der Jackpot am Ende nicht größer sein würde als ein Fingernagel. Um sich erneut zu orientieren, blickte er zu dem auf der Stelle schwebenden Reparaturschiff zurück. Dann zog er auf der felsigen Oberfläche zwischen dem Schiff und dem zahnförmigen Hügel in Gedanken eine Linie. Er ging zu dem etwa fünfzig Zentimeter hohen Rand des Kraters und hielt dort nach dem großen, flachen Stein Ausschau, den er dort abgelegt hatte. Der Stein hatte eine annähernd dreieckige Form, was der Grund dafür gewesen war, warum er ihn ausgesucht hatte.
Doch der Stein war nicht da.
Mallory runzelte hinter dem Helmvisier die Stirn und folgte dem Kraterrand nach rechts. Noch immer keine Spur von dem Stein, den er sorgsam als Markierungspunkt in den Krater gelegt hatte. Als er etwa ein fünftel des Kraterradius abgeschritten hatte, lief er wieder zurück und suchte in der anderen Richtung weiter. Tse gesellte sich zu ihm. Sie berührten einander liebevoll, tauschten jedoch keine verbalen Zärtlichkeiten aus. Die anderen Mitglieder des Bodenteams hätten jedes Wort klar und deutlich mithören können, genau wie die Besatzung des Reparaturschiffs und alle, die an Bord des Dreadnoughts zugeschaltet waren.
»Die Box ist hier.« Mallory blieb kurz stehen und blickte Tse an. Ihre Helmvisiere berührten sich beinahe. »Ich weiß, dass sie hier ist.«
»Natürlich ist sie hier«, versicherte sie ihm beruhigend. »Es ist völlig normal, dass du ein bisschen desorientiert bist. Es ist schon lange her, seit du sie versteckt hast, und damals hattest du ganz andere Probleme.«
»Ich bin nicht desorientiert!« Als er sah, wie Tse hinter dem Helmvisier zusammenzuckte, fuhr er rasch in entschuldigendem Ton fort: »Ehrlich, ich weiß genau, wo ich bin. Manchmal bringe ich vielleicht noch meine Worte
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