Klang des Verbotenen
doch.« Er lächelte.
»Und trotzdem: du Schuft!«, fuhr Domingo noch einmal auf. Doch Montoya lachte nur.
»Zum Teufel! Was willst du eigentlich noch?«, rief er, sprang auf und schleuderte wieder einmal seine Rechte hinter sich wie ein lästiges Anhängsel. »Ich habe dir die Musik gezeigt und sie, wie man es richtig treibt!«
»Von beidem wusste ich auch zuvor schon dies und das«, murmelte Domingo.
»Doch nicht das Wesentliche! Gib’s zu!«
Er musste es zugeben.
30
»Ich habe lange über Eure Musik nachgedacht«, sagte der König, der bei zugezogenen Vorhängen im Dunkeln saß, Lust auf ein philosophisches Gespräch – sprich: einen Monolog – verspürt und zu diesem Zweck Escarlati hatte kommen lassen.
»Sie hat mich beeindruckt«, fuhr er fort, »beträchtlich sogar, doch weiß ich nicht, ob Euch dies zur Ehre gereichen kann, denn ich bin … mein Geschmack ist … Ach, lassen wir das. Freut Euch auf jeden Fall nicht zu früh …« Escarlati hob an, etwas zu entgegnen, doch der König ließ ihn nicht zu Wort kommen, »… und lasst mich ausführen, wie ich das meine. Es ist, als blitze darin – in Euren Sonaten – immer wieder eine bestimmte Finsternis auf; ich weiß, dies ist ein Widerspruch in sich selbst – obschon als Bemerkung recht poetisch, wie ich finde –, denn, um im Bild zu bleiben, wie könnten denn, im Gegensatz zum nächtlichen Gewitter, am helllichten Tag umgekehrt schwarze Blitze zucken – als klafften im Sichtbaren hie und da dunkle Spalten?«
Der König war, obwohl wieder einmal von Melancholie geplagt, adrett gekleidet. Doch waren seine Gewänder im Laufe der Zeit eine Art Symbiose mit ihm eingegangen und spiegelten wie von selbst, auch wenn frisch gebügelt und gestärkt, stets den Seelenzustand ihres Trägers wider. Wie von Geisterhand verschoben sich dann, während der König gestikulierte, die Stoffschichten ungünstig und warfen Falten. Staubkörner und Perückenhaare legten sich auf die Stiefel, Krägen klappten um, Knöpfe platzten ab.
»Dennoch, just so kommt es mir vor«, erklärte Felipe, »wenn mich eine Eurer schroffen Wendungen, ein dissonanter Akkord oder ein ungewöhnlicher Rhythmus überraschen.«
Escarlati wusste nicht, was angebracht war, dankendes Kopfnicken oder eine bescheiden abwehrende Handbewegung, und blieb starr.
»Die Ägypter waren es doch«, sprach der König weiter vor sich hin. »Jene, von denen die unseligen Zigeuner abstammen – die mein Sohn aus ganzer Seele hasst, sodass ich ihn immer wieder beschwichtigen muss, denn ich bin ein milder Herrscher –, diese alten Ägypter also beteten die Sonne als ihre höchste Gottheit an, nicht wahr? So wie, dies nebenbei, auch die Indianer Neuspaniens – Gott sei Dank kann man wenigstens denen die Wahrheit des Christentums noch beibringen und ihre heidnischen Bräuche ausrotten. Sonnenkult, welch verhängnisvolle Dummheit! – Bereits dadurch übrigens wird einem das Minderwertige unserer braun verbrannten Gitanos deutlich, denn man weiß doch um die Gefährlichkeit der Sonne, ein täuschendes, teuflisches Licht: Es tötet – ich spüre das am eigenen Körper! Selbst wenn ich diesem bösen Gestirn den Rücken zuwende, dringen seine Strahlen in mich ein, ich fühle sie in meine Schultern einschlagen, es schmerzt wie Peitschenhiebe, ihre Spitzen stoßen bis zu meinen innersten Organen vor und schaffen dort Unheil.«
Er schlug sich auf den Bauch und an die Brust. »O nein, das ist keine Einbildung.«
O nein – Escarlati schüttelte entrüstet und folgsam den Kopf.
»Die wahre, eigentliche Sonne, die nur der Gläubige sieht, jene, die am inneren Firmament der Seele leuchtet«, fuhr der Regent gerührt fort, »das ewige Licht, jenes ist Gott der Herr.«
Escarlati nickte zustimmend. Gott der Herr.
»Doch hier in der Wirklichkeit des Alcázar, in meinem Arbeitszimmer …«
Welche Arbeit?, wagte Domingo zu denken.
»… brauche ich Dunkelheit, muss ich auf meine Gesundheit achten – das versteht Ihr doch? (Oder nicht?)«
»Ja, schön dunkel und schattig ist es hier«, bestätigte Escarlati. »Auch ich, in aller Bescheidenheit, habe das im Sommer gerne, die angenehme Kühle der Innenräume, den Halbschatten …«
Er ließ, da der König eine Denkpause eingelegt hatte, seinen Blick über die Gobelins wandern, welche die Fenster und Türöffnungen verdeckten, übersät mit Abbildungen von Galeeren, Meeresungeheuern mit gerollten Schwänzen und wasserspeienden Riesenfischen mit Menschenköpfen und
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