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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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schreitend und immer wieder aufs Neue beginnend. Bald setzte Montoya seine Stimme darauf, leise und wie abwesend.
    Spielen sie jetzt nur für mich?, fragte sich Escarlati und genierte sich ein wenig, lauschte aber umso aufmerksamer und fühlte sich wieder wie ein Schulbub im Conservatorio di Napoli.
    Während des Gesanges schien Montoya allmählich aus einem Traum zu erwachen, die Melodien wurden heftiger und lauter, die Linien gezackter und wild. Immer wieder verhakte sich die Gesangsstimme in einzelnen Tönen, repetierte und umkreiste diese unaufhörlich und bald mit aller Kraft, als drehe man wieder und wieder den Absatz auf einer Kakerlake um und zermahle sie zu Staub.
    O ja, das ist endlich die andere Melodie, verstand Escarlati, gänzlich ungeordnet, oder aber von neuer, fremder Ordnung. Als Künstler, der einen anderen Künstler sogleich, ja, in Sekundenschnelle erkennt – und eines war klar: das war Kunst –, vermutete er Letzteres.
    Wie ist das bloß gemacht? Man wird es aufschreiben müssen. Sofern man dies überhaupt kann. Gibt es Strophen, die sich wiederholen? Nicht einmal dies konnte Domingo mit Gewissheit sagen. Ist es improvisiert? Klänge es morgen genauso wie heute? Oder ganz anders – also doch nur Stimmung und gar keine Form?
    »Das war herrlich«, sagte Escarlati, als Curro und die anderen geendet hatten, abrupt und, zumindest für Domingo, unvorhersehbar, ohne Schlusskadenz, kein Ritardando weit und breit, einfach ein Abbruch, unvermittelt, wie ein Kater nach vollzogenem Akt von der Katze herabsteigt und seines Weges geht, ohne zurückzublicken.
    »Nein. Diesmal nicht, doch was soll’s«, sagte Montoya, zog die Flasche aus dem Sand und trank. »Manchmal, da kommt der Geist, der Duende. So wie neulich. Du warst ja dabei. Doch das kann man nicht planen und schon gar nicht erzwingen. Und manchmal – so wie gerade eben – ist es einfach nur Gesang und Gitarre. Auch gut.«
    Escarlati versuchte, den Unterschied zu neulich festzustellen. Leicht fiel ihm das nicht. War es nicht sogar das gleiche Stück gewesen?
    Das Hindernis, dachte er – und war damit schon weit vorgedrungen, ohne sich dessen zur Gänze bewusst zu sein –, ist das Interesse selbst. Ich versuche, die Musik, deren Form, deren Akkorde mit meinem Geist zu ergründen, sie auf einem imaginären Stück Notenpapier aufzuschreiben und festzuhalten, doch … ob Montoya überhaupt Noten lesen kann? Geschweige denn schreiben – wo auch sollte hier ein Blatt Notenpapier herkommen?
    »Schreibt Ihr die Stücke auf?«, fragte er trotzdem. »Zu gerne wüsste ich, in welchem Takt …«
    Curro lachte. »Wozu das? Ich müsste sie vereinfachen. Und wer wollte sie denn schon genau nachsingen? Willst du vielleicht einem anderen aufs Haar gleichen?«
    Nein. Escarlati überlegte. Montoya und die anderen prosteten einander zu.
    Das will ich nicht, dachte er, und noch etwas anderes gab ihm Stoff nachzudenken: Die Stücke – ja, wenn es denn Stücke waren und nicht vielmehr beliebig lange Stimmungen -, sie hatten keinen Anfang. Sie entwickelten sich aus dem Nichts, aus einem beliebigen ersten, beiläufigen Gitarrenton oder aus einem einzigen Klatschen der Hände, aus irgendeinem Anfangsereignis, an das man sich später gar nicht erinnern konnte – natürlich nicht, denn der Anfang der Musik war noch keine Musik. Ein Paradox.
    Bei uns, dachte er, bei unseren Ouvertüren, Märschen oder Suiten ist der Anfang immer klar und eindeutig – doch auch plump, wie eine hässliche, aus groben Klötzen geschichtete Mauer – dahinter Kunst, davor keine Kunst; das versteht jeder Narr …
    Hier aber war alles Kunst, auch wenn man sich zwischen zwei Darbietungen befand – wie auch jetzt vielleicht? Werden sie noch etwas spielen? Der Gitarrist zupfte schon wieder an den Saiten, unruhig, wie man mit dem Knie wippt. Curro scherzte mit den Kindern, zog den Knirps am Wuschelhaar und schüttelte den Kopf: nein, jetzt keine Geschichte mehr!
    »Was sind das überhaupt für Texte?«, fragte Escarlati, denn er hatte kein einziges Wort verstanden. Montoya begriff nicht sogleich. Die Trennung von Musik und Text schien ihm nicht einzuleuchten. »Texte? Ach so, was wir singen? Nichts Besonderes. Das Übliche eben – worüber soll man denn auch singen? Trauer, Tod, unglückliche Liebe, Schicksal …« Er lachte.
    »Unglückliche Liebe? Glückliche nicht?«
    »Glückliche Liebe, die macht man. Hat gar keine Zeit, dabei zu singen, nicht wahr?« Er stieß einen seiner Kumpel mit

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