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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Fenster zum Innenhof waren mit Gobelins verhängt, doch durch seitliche Ritzen drang Morgenlicht herein, Licht aus einer anderen Zeitrechnung, jener für das Volk und die Bauern, doch am Hof nicht gültig.
    »Die Sonne geht schon wieder falsch«, wisperte Escarlati seiner Tischdame ins Ohr. Ein Diener zupfte wie aufs Stichwort an einem der Teppiche, um die Obszönität des Morgengrauens an seiner schlimmsten, hellsten Stelle zu verhüllen, doch damit schuf er nur auf der gegenüberliegenden Seite einen neuen Spalt.
    Escarlati stand auf, wie die anderen, war müde, gähnte verborgen, verwickelt in eine Schlacht an zwei Fronten: hier zu viel Wein, dort zu wenig Schlaf. Mit den Händen auf dem Rücken schritt er auf und ab, betrachtete – zum wievielten Mal? – eine antike Vase, blickte in das trockene Dunkel ihres Schlundes, strich dann um das Cembalo herum, hoffte aber, nicht zum Spielen aufgefordert zu werden.
    Prinzessin Maria Barbara wandelte mit einer Gruppe Hofdamen umher, besprach Wichtiges oder Unwichtiges und hatte, wie immer bei offiziellen Angelegenheiten, für ihren Meister keine Zeit.
    Missmutig verglich Escarlati den Salon mit Montoyas geheimer, nächtlicher Bühne, langweilte sich auf einmal unsäglich – wusste irgendjemand hier überhaupt, was es draußen alles gab? – und hatte einen schalen Geschmack im Mund. Er betrachtete die Frauen in ihren wie um sie herumgezimmerten Sesseln, in denen sie kaum sitzen konnten mit all den ausladenden und versteiften Röcken – ja, selbst das Nichtbewegen war für eine Hofdame mit größter Anstrengung verbunden, anstrengender als ein ausgelassener Tanz auf dem nächtlichen Feld. Und wieder sah er die rotschwarze Frauengestalt vor sich, die in der ersten Nacht neben Curro in Positur gestanden hatte, kurz vor dem Überfall, ein Knie nach vorn geschoben, die Arme über den Kopf mit dem schwarzen Haar gehoben und die Hände umeinander geringelt wie der Docht einer Kerze.
    Escarlati fühlte sich zu der dunklen Nachtgestalt hingezogen. Sie lebte, sie bewegte sich frei!
    Hier aber saßen Puppen – wären die Trichter ihrer Röcke Geschlechtsorgane, was für Riesenpenisse bräuchte man, um sie zu begatten und zu machen, dass sie etwas fühlten?
    Monseñor Rávago, des Prinzen Beichtvater, riss ihn aus seinen abstrusen Gedanken und grinste schmierig, als habe er sie gelesen. Dann brachte er sein Anliegen vor, auf Umwegen wie der Guadalquivir in seinem Delta: »Exzellenz sind ja nun eine gute Weile hier. Bei der Messe habe ich Euch auch schon gesehen, ab und zu, oh das ja. Ihr müsst uns unbedingt – das heißt, der heiligen Mutter Kirche, nicht wahr? – etwas komponieren, ein schönes kleines Stabat Mater vielleicht … Wie? Nein? Nur Cembalomusik? Das wird doch nicht Euer letztes Wort sein! Was wäre denn das für eine Verschwendung Eurer Begabung, ja Eures Genies! Nun, warten wir es ab. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ist dies: Wäre es nicht an der Zeit, sich einen persönlichen Beichtvater auszuwählen? Meine Wenigkeit, wenn Exzellenz es wünschten, stünde zur Verfügung. Habe zwar viel zu tun mit Hoheit Prinz Fernando – bitte jedoch, dies nicht falsch zu verstehen. Nicht dass Hoheit außergewöhnlich viel zu beichten hätte, der fromme und gute Junge – junge Herr. O nein, keineswegs, wir gehen nur beide so gewissenhaft wie irgend möglich an die Sache heran, so wie es ja auch zu sein hat …«
    »Die Sache?«
    »… Handelt es sich doch um nichts Geringeres als um das Seelenheil, und wer möchte in der jenseitigen Welt, die uns alle erwartet, im Höllenfeuer brennen? Da gibt es doch Mittel und Wege. Nun?«
    »Vielen Dank«, sagte Escarlati, »doch ich habe schon, vielleicht das nächste Mal … « und stellte fest, dass er beinahe dieselben Wortegewählt hatte wie zuvor dem Kellner gegenüber, als er dessen Nachschenken abgelehnt hatte. »Also das heißt, ich habe im Moment keinen Bedarf, weiß zwar Euer freundliches Angebot durchaus zu schätzen«, sagte er zu sich – noch nie war er im Ablehnen von Angeboten besonders gut gewesen. Und mit einem spanischen Monseñor scherzt man nicht und spricht nicht so. Und wenn er auch noch so fromm grinst.
    »Wie wäre es mit Musik?«, hörte Escarlati die Königin sagen und setzte sich sogleich ans Cembalo, folgsam und doch elegant – und froh, dem Priester entronnen zu sein.
    Jetzt, dachte er sich, kannst du einmal hören, wie ich meinem Gott beichte, sowie auch: was. Und jener versteht alles, verzeiht

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