Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
Vom Netzwerk:
verstummte – nein, darum ging es natürlich nicht, sondern um einen Ausbruchsversuch aus dem Gefängnis, aus dem goldenen Käfig, und dazu mit dem Geliebten oder zumindest einem Substitut …
    Escarlati hingegen hatte die eigenartige Vorstellung, Montoya zu lauschen, dabei zur Rechten Maria Barbara und zur Linken Candela, die Mysteriöse.
    »Es mag gefährlich sein«, warf er ein, doch sie schüttelte den Kopf: »Haben sich nicht alle guten Regenten manchmal in Verkleidung unter das Volk gemischt? Warum also nicht ich?«
    »Eines Tages werden wir es tun«, lenkte er ein – oder forderte das Schicksal heraus.
    »Eines Tages.« Sie nickte und dachte nach. »Man wird das aber ein wenig planen müssen – und wie überlisten wir meinen Gemahl?«
    »Ihr geht zur Beichte in ein Kloster außerhalb der Mauern, vielleicht in die Cartuja. Die Mönche dort sollen hervorragende Beichtväter sein.« Es gefiel ihm, den Komplizen zu spielen.
    »Ja!«, kicherte sie. »So stellen wir es an. Zunächst sündige ich recht und schlecht, dann humpele ich wie ein altes Weiblein aus dem Palast, ein schwarzes Tuch über dem Kopf, biege um ein paar Ecken, bis ich außer Sicht bin. Sogleich ändere ich meinen Schritt, werde wieder ein junges Mädchen … und treffe mich mit Euch, der Ihr schon auf mich wartet …«
    »… in einem finsteren Winkel oder gar als Beichtvater verkleidet«, ergänzte Domingo.
    Die Prinzessin huschte zur Tür, riss sie auf und sah den Prinzen in gebückter Haltung im Rahmen stehen.
    »Schöne Musik«, sagte Fernando frech, erhob sich halbwegs – ein aufrechter Gang stand ihm nicht – und blickte Escarlati in die Augen, doch nur kurz und feige wie ein geprügelter Hund.
    »Habt Ihr wieder gelauscht!«, rief die Prinzessin. »Das ist nicht recht. Nehmt doch Eure eigene Stunde!«
    »Ich mag nicht üben«, sagte der Prinz. »Und wenn ich regiere, dann …« – er holte Luft – »… werde ich all das verbieten!« Was er damit meinte, war unklar – des Meisters Musik? Alle Musik? Die Klänge, denen er gelauscht hatte? Späße?
    Escarlati wusste nichts zu sagen. Wie soll man auch mit jemandem umgehen, der gleichzeitig zukünftiger Souverän ist, also allerhöchste Autorität, und ein Kind?
    Überdies sind Kinder, die keine Kinder sind und auch gar nicht sein dürfen, monströs und verbreiten Angst.
    »Ich habe nicht gelauscht«, brüllte Prinz Fernando. »Und was sollte das bedeuten mit der Verkleidung?«
    »Nichts. Bitte, bitte«, flehte die junge Gattin und schob ihren Gemahl mit der Tür aus dem Raum. »Nur noch eine Weile. Wir sind gleich zu Ende.« Hilfe suchend blickte sie sich nach dem Meister um, doch der Prinz war schon davongestürzt, die Tür fiel zu, und wie zur Sicherheit presste sich die Prinzessin dagegen.
    Draußen hörte man den jungen Fernando poltern, extra laut, als wolle er seinem vorherigen Lauschen sozusagen im Nachhinein die Plausibilität nehmen.
    »Es ist alles nicht so leicht, wie Ihr vielleicht glaubt«, sagte sie zu Escarlati, und das heißt, sie ging weit.
    Damit war er, der Ängstliche, überfordert, hätte seine Prinzessin zu gerne ergriffen und an sich gezogen, sagte aber nur: »Zumindest hat der Mensch die Musik als Trost« und schämte sich sogleich dieser altväterlichen, belanglosen Bemerkung, denn so drückt man sich als Künstler niemals zu seinesgleichen aus. »Das heißt natürlich, entschuldigt …«, wollte er zurechtrücken, doch sie winkte ab: »Er ist ein lieber Junge, vielmehr war dies einmal, doch nicht geschaffen zum König. Ach, wer ist das schon? König, Königin, Prinzessin, Prinz, all das ist viel schwerer, als man denkt, versteht Ihr?«
    Escarlati nickte, und die Prinzessin lächelte. Die Stunde war beendet; der Meister erneuerte sein Lob, gab ein paar Aufgaben und entfernte sich.
    »Trost!«, murmelte Maria Barbara, als Escarlati gegangen war.
    Warum darf Kunst nur Trost sein? Die Sache selbst möchte ich haben, Schönheit, Erhebung, Gefühl, Liebe. Nicht ein Zweites, nicht nur Stunden am Cembalo als Ersatz für … Warum schläft er nicht mit mir? – Wobei ihr nicht ganz klar war, wen sie meinte, den Meister oder den Mann, das Verbotene oder das Erlaubte. Nun, Letzterer konnte ja nicht … Folglich meinte sie das Verbotene …

21
    Als Escarlati sich am Abend wieder aufmachte, um Montoya und dessen Freunde musizieren zu hören, bemerkte er nicht, dass ihm in der Dämmerung jemand folgte.
    Die Gestalt war unscheinbar gekleidet, hielt sich stets in

Weitere Kostenlose Bücher