Klang des Verbotenen
wie ein Haustier an unsichtbarer Leine, beladen mit einem Sack. »Der Gegenbeweis: Da geht sie, die Missgeburtunter den Frauen.«
»Ausnahme bestätigt die Regel«, lachte Curro. »Nein, nein, wir sind’s, wir Männer, die man bei der Schöpfung vermurkst hat.«
»Ho«, sagte Japón verstockt und machte sich steif in der Brust.
20
»Ich mag deinen Meister nicht. Er ist dick und alt«, nörgelte Prinz Fernando, stand in einer Ecke des Musikzimmers wie ein trotziges Kind und nestelte an den Borten seines Rockes.
Die Prinzessin wurde traurig und dachte über das Leben nach und über ihr Schicksal, für immer an dieses Kind gefesselt zu sein, an dieses unartige, unreife Kind. Sie ging in förmliche Anrede über, die auch zwischen Eheleuten ab und zu verwandt wird, bei offiziellen Angelegenheiten des Hofes zum Beispiel – und vielleicht ab und zu auch anstelle eines kleinen Streites.
»Wann endlich werdet Ihr erwachsen? Eines Tages müsst Ihr ein Weltreich regieren. Wie soll das geschehen, wenn Ihr Euch solch kleinlichen Gefühlen hingebt?«
Hiermit war Prinzessin Maria Barbara aber nicht ganz im Recht. Fernando war zwar ein, wie man am Hof flüsterte, »seltsamer« Junge – kein Wunder bei seiner Abstammung, und waren dies Könige nicht sowieso? –, doch besaß er Sensibilität und spürte durchaus, dass zwischen der Prinzessin und Escarlati ein besonderes, ja, inniges Verhältnis bestand, das ihn beunruhigte, insbesondere, weil er es nicht recht verstand.
»Ich will aber nicht, dass er jetzt kommt«, schmollte der Prinz.
»Den einen Tag übe ich, den anderen habe ich Unterricht, das wisst Ihr doch. Und diesmal habe ich besonders viel geübt – ich muss meine Stunde bekommen.«
»Lass uns spielen gehen.«
»Spielen … wir sind Mann und Frau. Wann werdet Ihr das endlich verstehen?«, seufzte sie.
»Dann gehe ich allein.«
»Geht.«
»Ohne dich.«
»Geht!«
»Ich spiele Ball oder reite. Oder laufe ins Labyrinth.« Er machte keine Anstalten, sich zu entfernen.
Wenn das alles ist, was er an königlicher Autorität zu bieten hat, dachte sie, dann gute Nacht, Spanien.
»Geh spielen«, sagte sie resigniert und strich ihrem Gemahl über das Haar wie einem Sohn.
»Lass mich in Ruh!«, rief da der kleine Prinz. »Tu das nie wieder! Auf den königlichen Scheitel kommt nur die königliche Perücke, und sonst nichts!«
»Noch ist es nicht so weit und dann: Hilf uns der Himmel«, murmelte sie, zu leise, als dass ihr Gemahl es hätte hören können. Er stürzte davon, trampelte über das Parkett und warf die Tür hinter sich zu.
Wenn der Meister da ist, wird Fernando wieder lauschen. Das wusste sie und horchte, ob er noch auf dem Gang umherschlich, betrachtete sich dann im Spiegel, sah an sich herab. Der violette Rock war wie eine Blüte, eine Glockenblume; ein abgebrochener Stängel (ihr Leib) stand nach oben heraus. Zwischen den Schenkeln spürte sie die Luft, dort war alles frei, doch niemand kann in die Blüte hineinblicken, es sei denn, er kröche am Boden daher. – Ach, fasste er mich dort an, dachte sie.
Der Tag war mild, die kalte Jahreszeit entfernte sich mehr und mehr. In der Luft roch man Blumenduft.
Eine Katze schoss aus dem Garten herein, glitt durch das ziselierte Eisengitter des Türbogens – dessen geschmiedete Arabesken bedeuteten: Gott ist groß, und es gibt nur einen davon, was aber die jetzigen Bewohner des Palastes nicht mehr wussten – und sauste diagonal durch den Raum auf das Cembalo zu, nahm im Schwung den Hocker und stürzte sich dann schräg auf die Tasten, mit den Vorderpfoten zuerst. Nach einer kleinen Terz aus dis und fis brach der Katzenkörper über die Mittellage des Achtfuß herein: Ein Tastenhaufen knirschte, durchaus Zukunftsmusik und dem zeitgenössischen galanten Stil wesensfremd. Ein für Katzenohren gewaltiges Rauschen stand nun in der Stille des Nachmittags wie eingefrorene Brandung, dann zitterte der dissonante Akkord an den Rändern noch etwas, des Katers Dehnen und Strecken nachzeichnend, und klang dann dunkel aus. Als Letztes senkte sich der Schwanz auf die Tasten herab, gut eine Oktave des Diskants durchmessend, doch er war zu leicht und tönte nicht.
»Das warst doch du, die neulich über mein Cembalo spazierte und schnurrte«, flüsterte Maria Barbara, als sie, der seltsamen Musik folgend, in den Raum trat. »Ja, genauso wie jetzt, nicht wahr?« Die Prinzessin kraulte das graue, gähnende Knäuel, wobei sich noch ein paar Töne lösten. »Und der Meister
Weitere Kostenlose Bücher