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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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tänzeln, sich ihre ersten Cornadas, die begehrten und zugleich gefürchteten Hornwunden verschaffen, die sie, wenn sie keine Sepsis bekommen und überleben, stolz herumzeigen.
    Es war Tradition, dass man zwei dieser jungen Espontáneos, also Burschen, die bereits durch unvorhergesehene Aktionen Aufsehen erregt hatten und Talent zum Töter versprachen, zu einer offiziellen Corrida einlud, um sie einem Fachpublikum vorzustellen. Dies konnte durchaus der Beginn einer Karriere sein und somit der Aufstieg aus dem Elend – was zu tun würde sich dafür nicht lohnen, besaß man wenigstens ein Quäntchen Mut?
    So war es auch diesmal. Zwei Buben, von Gönnern bunt ausstaffiert, liefen nacheinander aus dem Toril, scheinbar unbeschwert, als spielten sie Fangen oder Verstecken. Das Publikum johlte, und die beiden nahmen ihre Positionen ein, der erste Kandidat wartend in der Mitte, der zweite am Rand. In vielversprechender Geschwindigkeit stürmte sogleich ein Stier herbei, hielt inne, was meistens geschah, betrachtete die Umgebung, schnüffelte am Sand und stand dann regungslos.
    Ein berittener Picador, sein Pferd durch eine feste Wolldecke geschützt – denn er, eine bloße Hilfskraft, konnte es sich nicht leisten, bei jedem Einsatz sein Pferd zu verlieren –, kam hinzu und begann, den tierischen Gegner mürbe zu machen. Wie einen Braten in einem Riesenofen stach er das Tier immer wieder mit der Lanze an, hielt es zwischendurch mit derselben Lanze auf Distanz und punktierte bei jeder Annäherung die Schulter, sodass im Rhythmus des großen Herzens Blut floss, ein beachtlicher Aderlass, der mit dem Lebenssaft auch eine Menge Lebenskraft zum Teufel jagte.
    Dann übergab der Reiter das Tier dem Kleinen, hielt sich fortan im Hintergrund und sah zu, wie jener den Tanz mit dem roten Tuch, der Muleta, begann. Darin war er durchaus gut. Der geschwächte Stier spielte alle Kreise und Spiralen mit, stieß immer wieder in den Stoff und damit ins Leere.
    »Wieso nur, heilige Jungfrau«, schrie Domingo, »rennt das Tier immer in das Tuch?« Und etwas in ihm, ein ganz finsterer Geselle tief drinnen, wünschte sich, der Stier nähme endlich den Jungen, diesen frechen Bengel, auf die Hörner.
    »Die Stiere sind nicht so dumm, wie es scheint«, erklärte der Trompeter, wobei er die Stimme erheben musste, um das Rauschen der Menge zu übertönen. »Vielleicht etwas schwer von Begriff, das ja. Es ist so: Die Toros wachsen ungestört auf, in der Weite der Landschaft, fressen und dösen, tun, wonach ihnen der Sinn steht, oder auch gar nichts. – Wer von uns könnte das von sich sagen? Nein, ich will nicht abschweifen. Aah, seht Euch das an …«, kommentierte er eine der Drehungen des Kämpfers. »… Und während dieser Zeit dürfen die Tiere niemals – das ist ehernes Gesetz – einen Menschen zu Fuß oder eine Muleta zu Gesicht bekommen. Die Heger nähern sich ihnen nur zu Pferd und steigen niemals ab. Wisst Ihr, Meister, Stiere sehen nicht gut und brauchen dann, wenn sie in die Arena geschickt werden – dies geschieht in ihrem Leben ja nur ein einziges Mal, vergesst das nicht –, eine gewisse Zeit, um zweierlei Dinge herauszufinden: zum einen, was ist das, Muleta, und was ist das, Mensch, und zum zweiten, von welchem der beiden Dinge droht die Gefahr?«
    »So ist das also«, rief Escarlati, während er das Geschehen auf dem Sand nicht aus den Augen ließ. »Ein Trick!«
    »Mag sein. Auf jeden Fall hat das Tier spätestens nach einer Viertelstunde die Sache durchschaut, wenn nicht gar ein paar Niños das Geheimnis schon längst gelüftet haben, des Nachts bei verbotenem Üben auf der Weide – dies wäre natürlich noch schlimmer. Und auch deshalb kommt ja beizeiten des Präsidenten Aufforderung zum Todesstoß.«
    »Weißes Taschentuch.«
    »Ja. Spielt der Matador noch weiter mit dem Tier, oh, dann wird es brenzlig, denn nun weiß die Bestie Bescheid! Doch manche Draufgänger reizt natürlich gerade das … Aah! Seht nur!« Er sprang in die Höhe, griff erregt nach Escarlatis Schulter und folgte mit dem Zeigefinger verworren der Acht, die der Bursche gerade mit seinem Stier gedreht hatte.
    Das Publikum brüllte und wurde erst wieder ruhiger, als Tier und Mensch zum Stehen kamen, der Stier erschöpft wie noch nie zuvor, der kleine Töter schwer atmend und konzentriert.
    Längst hatte der Präsident mit seinem weißen Tuch gefuchtelt, und nun stellte sich der kleine Matador auf die Zehenspitzen, stützte sich dabei, ohne zu zögern, mit

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