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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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rechtzeitig die Eier abschneidet, das heißt, noch als Kalb, dann piepst vielleicht sogar ein Bulle«, sagte Curro, zwinkerte und machte das Zwitschern der Vögel nach. »Und fliegt über die Wiese. Für die Corrida taugt er dann nicht mehr. Er umschwänzelt die Stierkämpfer, reibt sich an ihnen, muht und leckt sie im Schritt.«
    »Ach was. Du redest Blödsinn.«
    »Schmecken übrigens recht gut, die … du weißt schon. Paarweise serviert, in Brühe aus Wein. Das macht dich stark!«
    »Mag sein«, sagte Japón, »doch ein kastrierter Stier wird niemals ein Vögelchen, sondern lediglich ein Ochs. Das wisst Ihr doch, Curro Montoya.«
    »Ja, ja – es war nur ein Scherz! Lacht doch mit!«
    »Ganz anders jedoch beim Menschen. Der Mann ohne …« –Japón genierte sich, das betreffende Wort in den Mund zu nehmen – »singt wie eine Nachtigall, aber dabei stelle man sich einen Vogel vor so groß wie ein Pferd! Der Kastrat übertönt mit Leichtigkeit eine Trompete, hält die Luft länger als ein Taucher und singt höher als ein Pfauenschrei! Ich hab’s gehört. Und, übrigens« – hier klaffte eine zweite Lücke in Japóns Vokabular – … »kann ein Kastrat trotzdem. Die Frauen reißen sich sogar um ihn, denn … Denkt an den berühmten Farinelli!«
    «Denn es besteht keine Gefahr!«, kapierte Curro endlich und lachte.
    »Das ist alles wahr und auch sehr lustig«, sagte Escarlati. »Doch hilft’s mir nicht. Ich mag nicht für die Kirche komponieren. Keine geistliche Musik mehr! Keine Musik für Stimmen! Keine Oper! Was ist denn falsch an meinen Sonaten?«
    Nichts, gar nichts, bestätigte Curro mit einer Handbewegung.
    »Aber«, fuhr Escarlati fort, »der Monseñor setzt mich unter Druck. Verdammt. Entschuldigung.«
    »Der Monseñor – oh! Vorsicht, Vorsicht«, mahnte Japón, stieß bei offenen Lippen die Zähne aufeinander und zog die Luft ein, als beobachte er jemanden, der sich gerade verletzt.
    »Ich muss mit der Prinzessin sprechen«, sagte Escarlati. »Sie wird mir helfen. Nichts weiter bin ich und will ich sein als ihr Sonaten-Schreiber und Lehrer. Ein kleiner Mann. Sie wird mich beschützen.«
    »Ja. Das wird sie«, sagte Japón, war aber nicht überzeugt.
    »Mach dir keine Sorgen, kleiner Mann«, sagte Curro.
    Drüben trug man eine Marienfigur aus der Kirche heraus. Sie war lebensgroß und schön. Das wunderbare, von Liebe traurige Gesicht war mit Spitzen und weißem Tüll umhüllt; die Lippen, halb geöffnet, schimmerten ein wenig bläulich, der Blick war auf die Blumengestecke gesenkt. Ein paar Tropfen glitzerten auf dem makellosen Antlitz.
    »Diese Tränen, die würde ich ihr gerne abkratzen«, sagte Montoya.
    »Abkratzen?«, fragte Domingo.
    »Nun, es sind drei Diamanten, in die Haut, das heißt in das Wachs eingedrückt. Wusstest du das nicht?«, sagte Curro. »Und ihren Wachskörper unter dem Rock nähme ich auch gerne mit nach Hause – was anderes dort fest einzudrücken!«
    »Na! Pfui! Wahrscheinlich finden sich dort nur Stäbe und Drahtgeflecht.«
    »Struppig und starr. Brr.« Japón schüttelte sich.
    »Manchen gefällt’s struppig«, schob Curro nach, grinste, und man sah, dass ihm gerade ein unanständiger Spruch einfiel. »›Ich habe einen schönen Auftrag‹, sagte der Heilige Geist. Wer möchte nicht gerne eine Jungfrau vögeln«, sagte er verschwörerisch und blickte sich um.
    »Psst!«, flüsterte Escarlati.
    »Heute hast du gar keinen Geschmack, Montoya«, stellte Japón fest.
    »Ja, ja«, murrte Curro und war schon mit anderen Dingen beschäftigt. In einem Winkel der Gasse hatte er nämlich den wirren Prediger entdeckt, der zerlumpt und großartig wie immer im Schatten der Kirchenmauer stand und an einem Brot nagte. Einige Kinder schlichen um ihn herum, zupften ihn ab und zu am Rock und rannten sogleich davon. Er reagierte nicht. Die Spatzen verlegten ihr Zentrum zum Prediger und sammelten Brotkrumen auf. Seine Lippen bewegten sich lautlos, er kaute und rezitierte zugleich schweigend etwas Wichtiges. – Letzteres konnte man an Handbewegungen und Augen ablesen.
    Von gegenüber kamen die jungen Gitanos angestürmt, die offensichtlich nie etwas zu tun hatten und überall zugleich sein konnten.
    »Erzähl uns was«, rief deren Anführer und gab seinen Kumpels das Zeichen, sich im Halbkreis zu setzen, ohne Montoyas Antwort abzuwarten.
    Curro fasste die Unterlippe quer zwischen Daumen und Zeigefinger, dachte einen Moment nach und war bereit.
    »Warum nicht«, sagte er. »Hier ist sowieso

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