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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Musiker, Maler, Organisten …«
    »O Gott«, sagte Curro und meinte die schöne Frau, die zu ihm herüberblinzelte. »Gott, Gott, immer Gott! Vielleicht«, fügte er dann ernst hinzu, »hat Gott ja tatsächlich die Welt geschaffen, so wie es in der Bibel steht, in sechs – oder waren es sieben? – Tagen, einfach aus dem Nichts und nach seinen eigenen Ideen. Jaja. Doch unser ganz spezieller … unser Gitanogott «, er flüsterte und deutete auf die Frau, »hat sie geboren. Das ist etwas anderes, verstehst du?«
    »Was? Wie?«, fragte Escarlati, und Japón näherte sich interessiert. Philosophisches Geplänkel roch er schon von Weitem.
    »Das ist etwas ganz anderes«, schwadronierte der Gitano weiter. »Euer Gott musste an Lehm herumkneten, der Stümper – aus ihr aber«, dabei verwies er wiederum auf die Schöne gegenüber, »springen die Menschlein fix und fertig nur so heraus.« Curro zeigte auf einen kleinen Jungen, der am Boden mit Zweigen spielte. »He, Kleiner, hast du deine Händchen schon immer gehabt? Oder hat sie dir jemand drangeknetet? Na also.«
    »Schandmaul! Gotteslästerer! Das macht drei Ave-Maria!«, scherzte Escarlati.
    »Mindestens«, stimmte Japón zu.
    »Na! Beten?« Curro schüttelte den Kopf. »Zu unserem Zigeunergott? Da kann man singen und tanzen, weinen, schreien – aber beten? Er lacht dich aus.«
    Montoya ergriff den Becher, prostete in die Luft oder einem Geist zu und trank.
    »Er hat den Duende «, flüsterte Japón.
    »Den was?«, fragte Domingo.
    »Den magischen Geist, der die Gitanos von Zeit zu Zeit befällt und durch den – nur durch ihn – sie zu großen Sängern werden. Den Duende. Sch! Hol ihn da nicht heraus!«
    »Unsinn«, sagte Domingo. »Er ist besoffen.«
    »Bin nicht betrunken«, murrte Curro. »Bin nur endlich nicht mehr ausgedörrt!« Japón lachte schallend, der tiefe Bass ließ seinen Bauch erzittern. Dann erhob er sich und seufzte genüsslich. »Und ich, der alte Mann, bin müde, wohlig müde. Wie schön! Freunde, ich gehe nach Haus.«
    Sie winkten ihm nach, als er durch die Gasse davonspazierte.
    »Grüß mir die Eisberge!«, rief Curro, und Japón hob den Zeigefinger als Zeichen der Zustimmung.
    Freunde!, dachte Escarlati gerührt und benebelt.
    »Und jetzt gehen wir noch ein wenig zu mir«, sprach Montoya, zog Escarlati am Ärmel und stellte ihn auf. »Komm mit.«
    »Aber, aber … meine Candela«, stotterte Domingo, doch sein Freund hörte nicht, und so trottete er ihm hinterher.
    Noch nie hatte er darüber nachgedacht, wie Montoya wohl lebte. In einem Ochsenkarren wie fahrendes Volk? In einem Zelt, einer Scheune?
    Man schlich einen dunklen Hohlweg entlang, die Spur darin so schmal, dass man nicht nebeneinander hätte gehen können. Einige Male stolperte Domingo über Steine und wäre beinahe gestürzt, denn es war stockfinster. Die Wände des Hohlweges waren Teile von Häusern, alt, aneinandergewachsen zu einer einzigen Mauer und ohne Türen auf den Weg hinaus. Die Dächer, unregelmäßig gebuckelt wie Schildkrötenpanzer, setzten tief an; manchmal sah man gar von oben über sie hinweg, und dann schimmerte das Mondlicht darauf.
    Escarlati blickte in den Nachthimmel, in dem Massen von Sternen glänzten, und stellte sich vor, wie sie alle in verworrenen Bahnen und unvorstellbar langsam umeinanderkreisten – das sagten zumindest die neuen Astronomen, und er verstand nicht viel davon.
    Die Vorstellung des Himmels als gewaltige Mechanik aber, obwohl ein materialistisches Bild, berührte ihn tief in seinem Inneren, dort, wo die Orgeltraktur arbeitete, und ließ ihn an das Wunder der Musik denken – auch da gab es mechanische Geheimnisse, Geheimnisse des klingenden Stoffes selbst, die der Mensch gar nicht zu erfinden braucht: die absteigende Quart, das Rotieren der fallenden Quinten, die wunderbare große Septime; all dies ist einfach vorhanden und stärker als dasjenige, was man noch drumherum erfindet.
    »Man muss lediglich«, murmelte er, »ausdrücken, was sowieso schon offen daliegt …«
    Wieder einmal war er sicher, sich in der Nähe des Hauses zu befinden, in dem er die Wahrsagerin getroffen hatte, und erinnerte sich an ihre seltsamen Weissagungen. »Halte dich an die Ruhelosen«, wiederholte er. »Bin schon dabei …«
    »Hier sind wir«, flüsterte Montoya und bog scharf nach links in einen Durchgang, der sich in der endlosen Hauswand auftat. Zwei Holzpflöcke, halb in das Steinwerk eingegipst, das durch den abgeblätterten Putz heraussah wie

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