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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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war ja sein Freund!
    Curro schloss kurz die Augen und holte tief Luft, wandte sich dann ab und schlich leise davon, durch den rückwärtigen, verwinkelten Gang und dann hinaus auf die Gasse, denselben Weg, der Escarlati einst zur Wahrsagerin geführt hatte.

25
    Die mit Menschen gefüllten Kuben, die Escarlati unlängst beim Exerzieren hatte beobachten können, trugen jetzt Kleider. Sie waren bis auf den Boden und von allen Seiten mit brokatenen und goldfarbenen Tüchern behängt, solide Würfel nun und nicht mehr einsehbar, sodass die Träger darunter verschwanden und blind marschieren mussten. Ab und zu kam an der Vorderfront eine Reihe bloßer Füße zum Vorschein, verschwand aber sogleich wieder.
    Diese Würfel, deren viele neben- und hintereinander herzogen, waren mit allerlei anbetungswürdigen Gegenständen beladen: einmal eine wächserne oder hölzerne Maria mit blauem Gewand und blechernem Heiligenschein, an einem feinen, beinahe unsichtbaren Draht über dem Haupt befestigt und bei jeder Erschütterung vibrierend, dann wieder eine gewaltige silberne Monstranz, aus der ein Riese seinen Wein hätte trinken können und die er dennoch nicht leeren würde, des Weiteren natürlich Kreuze aller Größen mit Christusfiguren daran, aus unterschiedlichen Materialien, zumeist jedoch aus Holz und natürlich nie aus Fleisch.
    So schoben sich die verschiedenst bestückten Würfel – oder besser Backsteine, denn sie waren zumeist länger als hoch oder breit –, ja, so glitten diese Riesenkäfer durcheinander auf dem bevölkerten Platz, in dessen Getümmel auch Escarlati sich hatte stürzen müssen, um in den Palast auf der anderen Seite zu gelangen, denn die Prinzessin wartete auf ihren Unterricht.
    Viel zu spät war er aufgebrochen, hatte er doch in den Vormittag hinein geschlafen wie ein Stein. Ein erstes Mal war er frühmorgens aufgewacht, als die Vögel draußen zwitscherten und Sonnenlicht in die Kammer drang, hatte nach kurzer Verwirrung begriffen, wo er sich befand, dennoch ungläubig neben sich gegriffen und Candelas Körper ertastet. Er hatte sich an sie geschmiegt, zärtlich ihre Brüste umfasst und neues Verlangen gespürt, hörte ihr Seufzen, doch dann war sie ihm entglitten, aus dem Bett gestiegen, hatte ihr Gewand angelegt und ihm zugelächelt.
    »Vielleicht«, hatte sie geflüstert, und »doch jetzt muss ich fort«, als er gefragt hatte, ob man sich wiedersähe.
    Noch eine Weile hatte er auf den schwankenden Vorhang gestarrt, durch den sie verschwunden war, und in der Nüchternheit des kühlen Morgens, war ihm die vergangene Nacht gänzlich unwirklich vorgekommen. Betäubt hatte er sich zur Wand gedreht, Candelas Duft wie einen Beweis für das Geschehene eingesogen und dann seinen restlichen Rausch weggeschlafen, was einige Stunden dauerte.
    Nun kämpfte er sich durch die Menschenmassen. Die Semana santa war in vollem Gange.
    »Wie konnte ich das bloß vergessen«, murmelte Escarlati.
    Er allerdings fühlte sich nicht feierlich, hatte Kopfschmerzen und sah eher ein Bild der Hölle vor sich denn ein kirchliches Ereignis.
    Wie Gewürm schlichen die tragbaren Riesenreliquien umher, durchschossen von in Zeitlupe daherwankenden Blaskapellen, deren hohe Trompeteninstrumente Choräle kreischten, grell und mit aller Gewalt, begleitet von Trommeln, Becken und auch tragbaren Glocken.
    Eine Kapelle näherte sich, eine andere schlich davon, und ihre beiden Melodien mischten sich zu grausiger Kakofonie in unterschiedlichen Tonarten und Tempi.
    Auf jeden Schlag ruckten die Bläserreihen einen Schritt voran und verharrten dann wieder wie Holzpuppen. – Dass sie dabei nicht umfielen?
    Als Escarlati sich endlich über den Platz gewühlt hatte, erscholl aus einem geöffneten Kirchenraum auf der anderen Seite, die er gerade wie ein rettendes Ufer erreicht hatte, ein drittes Orchester. Neugierig trat er an den Eingang heran und wich sogleich zurück: Die Musik im Inneren war durch den Hall der Wände ohrenbetäubend verstärkt, jeder Ton wurde wie mit einem Hammer in den Gehörgang genagelt. Trotzdem strömten die Menschen hinein, ja setzten sich absichtlich in die Nähe der Trompeter, wo die Musik zu einem einzigen metallischen Knirschen verschmolz.
    »Dort drinnen wird man ja taub!«, schrie Escarlati einem Passanten zu, der sich an ihm vorbeidrückte, doch hörte er seine eigene Stimme nicht.
    Nur fort! Endlich entkam er in einen Durchgang, der zur Giralda und somit zum Palast führte.
    Das Portal des Alcázar war bald

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