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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Möbelpacker. Die taten, als verstünden sie nicht, und studierten die Abendwölkchen.
    »Noch nicht ganz. Wir sind dabei«, sagte Montoya. Escarlati drehte sich kopfschüttelnd zu Japón: »Noch nicht ganz?«
    »Es war eine alte Kiste«, sagte Curro, was folgendermaßen betont war: Eine alte Kiste kann man gar nicht zurückbringen.
    »Davon will ich nichts wissen«, seufzte der Meister und hoffte, im Kirchlein käme man von nun an mit unbegleitetem Gesang zurecht.
    Ach, was soll’s! Escarlati sprang ans Cembalo, spürte auf einmal eine Art Heißhunger auf Fingerbewegungen, setzte den Stimmschlüssel an und beseitigte schnell die eine oder andere Unreinheit. Diesmal ging es leicht, obwohl das Instrument die Nacht im Freien verbracht hatte. – Mein Gott: der Morgentau auf den Saiten!
    Fertig. Montoyas Begleiter schnappte sich die Gitarre wie eine Waffe – war das ein Spaß! –, Curro räusperte sich, stand breitbeinig, holte Luft, begann, etwas Unsichtbares zwischen den Händen zu kneten, doch diesmal kam Escarlati den beiden zuvor, griff in die Tasten und legte einen ersten Grund aus Arpeggien, in deren Basstönen sich die absteigende Quart ankündigte. Sogleich verstand der Gitarrist das Spiel, fädelte sich ein, stimmte dabei ein wenig nach, denn nun musste die Gitarre an das Cembalo angepasst werden, und fügte dann hinzu, was fehlte: den Rhythmus. Na, das wäre doch gelacht, wenn ich diesen nicht durchschaute, dachte Domingo, und schon war er von ihm gepackt, wie auch die klatschenden Händepaare, die sich im Hintergrund regten.
    Der Klangteppich – ein fliegender! – war ausgelegt, und Montoya sprang auf, seine Stimme im Gepäck.
    Escarlati hieb auf die Tasten ein, dass das Holz polterte wie eine Trommel – nie sollte ein guter Cembalist dies tun, denn lauter, als es eben klingen kann, geht es beim besten Willen nicht –, doch die Begrenztheit seines Instrumentes, dessen ewiges Flüstern, hatte den Meister noch nie so gestört wie jetzt.
    Cristofori, wann seid Ihr endlich so weit mit dem Hammerklavier?
    Wovon Montoya sang, wusste Escarlati nicht und wusste es doch. Schmerz, Raserei und Lust, dachte er, sind also tatsächlich miteinander vereinbar. Muss ich mir merken für meine nächste Oper – doch halt, nicht schwach werden!
    Candela war auch da, war wie immer unbemerkt aufgetreten, zunächst nur rote Flammen in Domingos Augenwinkeln. Dann schob sich ihr flackerndes Kleid, das heißt ihr Körper, ganz in sein Blickfeld, zwischen Curro und das Cembalo. Ihre Füße schlugen auf, die Arme verwanden sich, Haar wie Rocksaum gehorchten der Fliehkraft, diese um die Tänzerin herum besonders stark wie ein Kraftfeld, und eilten den Windungen nach, überschlugen sich ab und zu wie brechende Wellen, wenn die Drehrichtung sich änderte.
    Wirklich mich?, dachte Escarlati. Meint sie wirklich mich?
    Er musizierte und fühlte sich gut. Es gab nichts nachzudenken, nichts zu lernen, nichts zu übersetzen. Er sprach eine neue Sprache und dies ohne Dolmetscher, hatte sie, ohne es zu merken, gelernt. Ein Wunder!
    An das erste Trio hängte Escarlati eine seiner Sonaten, während welcher der Gitarrist nun versuchte, sich einzupassen, was nur recht und schlecht gelang, denn der Meister modulierte wild von einer entlegenen Tonart zur anderen, sodass die zu greifenden Akkorde kaum vorausgeahnt werden konnten – eine kleine Gemeinheit natürlich –, und so ging es, wieder mit Montoya, noch eine Weile weiter – dann fand sich der Gitarrist abermals mit dem Sänger zusammen, und nun war es Escarlati, der lauschte: Ja, diese andalusische Melodie kannte er, drängte sich wieder hinzu, spielte einige Strophen oder Variationen mit bis zu einem eleganten, wie telepathisch abgestimmten Schluss.
    Ein Dunkelhäutiger stellte Domingo einen gefüllten Becher neben den leeren Notenständer; zwei, drei bernsteinfarbene Tropfen schwappten über und sogen sich in das Furnier.
    »Unentschieden!«, lachte Montoya, als er den Meister umarmte.
    »Gut«, stimmte der Gitarrist zu, »wir waren gut!«
    Man trank im Abendlicht. Japón saß auf einem Stein, zufrieden wie ein Impresario, und Escarlati schielte nach Candela.
    Wie immer hatten sich viele Neugierige eingefunden, auch noch während der Darbietung, und manche von ihnen machten sich schon wieder auf den Heimweg, mussten vielleicht vor der Dunkelheit nach Hause finden; andere aber blieben und tranken mit.
    Unter denjenigen, die gingen, war auch eine junge, unscheinbare Frau, die sich ein

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