Klang des Verbotenen
erreicht. Escarlati stieg in die privaten Gemächer hinauf, betrat sein Zimmer und raffte ein paar Notenseiten zusammen, Skizzen, die sich in der letzten Zeit angesammelt hatten und die man als Übungen würde verwenden können, denn für weitere Vorbereitung war keine Zeit.
Dann zog er sich aus, leerte Wasser aus der Schüssel in die Schale und wusch sich.
Ein eigenartiges Gefühl stieg in ihm hoch: schlechtes Gewissen? – Dies letztendlich nicht verwunderlich; die Richtung, in die es sich wandte, allerdings durchaus. Nicht etwa gegen Maricati, seine Frau, die ihm – wer weiß – vielleicht inzwischen ein Kind geboren hatte und sich möglicherweise bereits auf dem Weg hierher befand. O nein, an sie, die er doch liebte und der er verbunden war, hatte er seit der Nacht mit Candela nicht einmal gedacht.
Die Prinzessin war es, vor der er sich genierte, ja schämte – seltsam, äußerst seltsam! –, und so wusch er sich die Düfte und Gerüche der Gitana sorgfältig von der Haut.
Dann zog er frische Sachen an, stülpte seine Perücke über, schlüpfte in leichte Schuhe, stellte die Stiefel parallel in die Ecke und trat auf den Korridor hinaus, stieg die Treppen hinab und begab sich zum Musikzimmer, wo er bereits erwartet wurde: Ein Diener stand davor und bedeutete ihm schnell, schnell durch ein Zittern der rechten Hand. Von drinnen tönten Cembaloklänge, zusammenhanglos, als probiere Maria Barbara etwas aus, als suche sie eine Melodie zusammen, und tatsächlich … Das ist doch …, dachte Escarlati, aber wie kann das sein? … Da öffnete sich die Türe und Prinz Fernando trat heraus, schob sich an Escarlati vorbei, grußlos wie gewohnt und trippelte davon. Das Cembalo verstummte und Domingo wagte sich durch die Tür. Lächelnd kam ihm die Prinzessin entgegen, und er verbeugte sich, ein wenig tiefer als sonst vielleicht, trat heran, küsste Maria Barbara die Hand, stellte sich am Cembalo in Positur, stieß dann die mitgebrachten Notenblätter auf dem Deckel des Instruments zu einem ordentlichen Rechteck zusammen und legte sie zum Spielen bereit.
Umständlich entschuldigte er sich für die Verspätung, doch seine Sorge war unbegründet. Mit einer wegwerfenden Handbewegung schob die Prinzessin die Angelegenheit beiseite.
»Es wird nicht wieder vorkommen«, sagte er, und sie nickte ernst. »Nein. Sicher nicht.« Blickte sie ihn dabei forschend an?
Domingo war verwirrt. Sie hatte ihm verziehen, doch trotzdem: Irgendetwas war anders als sonst und noch unausgesprochen. Warum nur fühlte er sich ertappt?
»Gerade als Ihr hereinkamt«, sagte sie, wieder am Cembalo sitzend, »da hatte ich sie endlich, die Melodie. – So ging sie doch, nicht wahr?« Maria Barbara spielte, mit vereinfachten, aber richtigen Akkorden unterlegt, das Lied, das Montoya am Abend zuvor als Letztes angestimmt und über das man dann Variationen improvisiert hatte.
»Den Text habe ich leider nicht verstanden. Ihr?«, fragte sie, als sie geendet hatte und sich dem Meister zuwandte.
»Nein. Auch nicht«, sagte Escarlati, wonach ihm der Mund offen stehen blieb. »Doch …« Er errötete, fühlte ein paar Schweißperlen auf der Stirn: Um Himmels willen, was weiß sie denn noch alles?
»Ich hab’s gemacht«, grinste die Prinzessin wie ein Lausbub. »Mich verkleidet und aus dem Palast geschlichen. Wohin zu gehen? Ach, das habe ich leicht in Erfahrung gebracht. Sevilla ist klein, und so viele Möglichkeiten gibt es nicht. Auch folgt Euch dieser oder jener sowieso manchmal in die Stadt, ohne dass Ihr es wisst… Doch das ist ein anderes und bedauerliches Thema.« Escarlati wollte erklären – was eigentlich? –, doch sie fuhr fröhlich fort: »Und als ich bei euch Tagedieben ankam, ein schüchternes, verschleiertes Mädchen vom Land, das sich an der Wand herumdrückte, da dämmerte es bereits, und Ihr saßet schon an … Eurem Cembalo. Ja, ich habe es gleich erkannt, habe doch auch schon darauf gespielt: Wie kam es denn dort hin? Und wird es auf seinen drei Beinen von allein wieder in den Palast zurückspazieren? Na, da bin ich aber gespannt! Doch keine Angst, ich verrate Euch nicht!«
Sie sah Domingo mit einem ihm neuen, verschlagenen Lächeln an, und er schwieg noch immer, kleinlaut und verblüfft; doch war er ihr in diesem Augenblick – denn sie verstand ihn – sehr nahe. Und sie ihm.
»Das Konzert, wenn man es so nennen darf, hat mich beeindruckt«, sagte sie mit aller Ernsthaftigkeit. »Und ich glaube zu verstehen, was Ihr dort sucht
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