Klang des Verbotenen
einzigen Ton, der sich repetiert, der Schrei …«
»… Ja, nennen wir es den Schrei.«
»Und dann: mit Verzierungen, doch rhythmisch streng und beherrscht abwärts gehen.«
Sie versuchte es, und der nun dreischichtige Satz aus Bass, Akkorden und Melodie war gar nicht schlecht.
»Ich hab’s ein wenig geübt«, gab sie zu. »Wenn man nur wüsste, worüber sie singen.«
»Na«, sagte er, »ich denke, über die Liebe … unglückliche Liebe.«
»… unmögliche Liebe«, fügte sie hinzu. »So wie auch bei …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Es war eine eigenartige Unterrichtsstunde. Maria Barbara wiederholte noch einige Male die viergliedrige Akkordfolge, immer langsamer werdend, blieb dann auf den Dissonanzen des vorletzten Klanges stehen, hielt die Tasten gedrückt und ließ die Töne ganz verklingen. Wie in einen diskreten Hintergrund zogen sie sich in das Cembalo zurück, und es war still.
Als sie die Finger hob, schnellten die Tasten mit einem klackenden Geräusch in die Ausgangsstellung.
Escarlati wusste, dass etwas ganz Besonderes und eigentlich Unmögliches geschehen würde, ja geschehen musste. Ein kleiner Schubs, und die Mauer um das Paradies würde kippen. Erst jetzt, hier, in ebendiesem Moment, war er, wie ihm schlagartig bewusst wurde, am wirklichen Ende seiner Reise angelangt.
»Mein Gemahl ist eigentlich gar nicht mein Mann«, sagte sie unvermittelt und rau. »Wenn Ihr versteht, was ich damit zu sagen versuche. Ja, mehr noch – ich denke, er ist überhaupt kein Mann.«
Escarlati empfand, trotz allem, Furcht, dieses Geständnis hören zu müssen, obwohl es ihn nicht verwunderte. – Tief verwurzelt aber saß in ihm die Angst aller Bediensteten, in Angelegenheiten der Hohen hineingezogen zu werden, war es doch immer besser, nicht allzu viel zu wissen.
Sie vertraut mir, dachte er andererseits.
»Ich habe mich schon immer gefragt«, platzte er heraus, »wie das …« und biss sich sogleich auf die Zunge.
»Es geht nicht«, sagte sie nüchtern, wie man einen unverwendbaren Fingersatz kommentiert, und erhob sich. »Also muss ich wohl eine alte Jungfer werden. Für Spanien!«
Sie breitete die Arme aus und drehte sich einmal im Kreis.
»O nein«, sagte Domingo und stupste gegen die unsichtbare Wand.
Die Prinzessin erstarrte, doch nicht etwa aus Furcht, sondern weil sie im Begriff war, eine wichtige Entscheidung zu treffen, für die sie alle Kraft und den ganzen Körper brauchte.
Sie flüsterte »Wartet!« und huschte zur Tür, öffnete sie in den stillen Gang hinaus – niemand da, Gott sei Dank –, schloss sie wieder und drehte den Schlüssel, den sie zuvor schon auf die Innenseite gesteckt hatte, zweimal um. Dann eilte sie zurück zu Domingo und dem Cembalo. »Und es war doch ein Stelldichein, unlängst des Nachts«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Auch wenn wir uns gar nicht begegnet sind.«
»Ich weiß«, rief er zärtlich, und auf einmal vermischte sich alles – selbst Candela wurde eins mit der Prinzessin –, und der Damm brach an einer zweiten, noch viel gefährlicheren Stelle.
Die Prinzessin stand vor ihm, er fühlte am Herzen, wie sie atmete, sah ihre Brüste im Dekolleté pumpen und umfasste die kleine Frau. Der Stuhl wurde zur Seite geschoben, sie spürte den Halt des Cembalos im Rücken.
Unmöglich? Was ist schon unmöglich? Einmal wenigstens soll die Freiheit aufblitzen, dachte sie; die Freiheit, alles – es – zu tun, einmal nur, in demselben Augenblick schon dazu verdammt, nur Erinnerung zu sein und nicht mehr.
»Doch nun möchte ich alles lernen«, sagte sie heiser und wie zu sich selbst. »Bevor es zu spät ist …«
Sie hob sich selbst vorne die Röcke, ließ eine Höhle entstehen oder einen Himmel über ihrem nackten, feuchten Schoß, drängte sich an Escarlati, öffnete auch seine Beinkleider. Er half nach.
»Was … was?«, fragte Domingo atemlos, als eile etwas sehr. Sie machte einen Luftschritt mit dem rechten Bein, hob sich um ihn, griff ihm mit der Hand unter den Bauch; er spürte ihren nackten, warmen Körper an der Spitze seines Penis und wie der Spalt platzte, sich teilte und weit öffnete; rutschte dort hinein – dachte, nein, wusste, dies ist das Schönste auf der Welt –, atmete tief und seufzte.
Die Tastatur des Cembalos gab knisternde, gebrochene Akkorde von sich, als Maria Barbara gegen das Instrument gepresst wurde und dort ruhte, wo der Meister normalerweise seine Sonaten eingab. Domingo hielt in der Bewegung kurz inne und lauschte dem
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