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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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Cluster unter ihnen, dessen Ränder sich ein wenig weiteten, als die Prinzessin seinem Stoß nachgab und lächelte.
    »Vier … händig«, seufzte sie und schlang ihre Beine, die sich irgendwo im Knäuel der Röcke weit auseinandergebreitet hatten, um seinen Leib.
    »Ist es so? So?«, rief sie, als sie sich an ihn drückte, zuckte, von Schweiß überströmt wurde und kam.

26
    »Auch ich habe früher nichts anbrennen lassen«, lachte Papa. »Bravo! Nun gerät er doch noch nach mir.«
    Anbrennen?
    Domingo sah aus der Vogelperspektive eine Pfanne voll siedenden Öls, rund wie ein Auge, darin als Pupille einen Braten: ein Vogel oder ein kleines Tier? Oder ein …
    Ein Zwerg, ein zusammengeschnurrter Mensch?
    Dann sah er dasselbe aus dem entgegengesetzten Blickwinkel, nämlich aus der Pfanne heraus – er selbst war der Braten, und das Öl um ihn herum schlug Wellen, es zischte, schmerzte aber nicht; die Flüssigkeit war ein See und auf einmal sogar das Meer – und nun doch aus Wasser – und er, der Braten, in Wirklichkeit ein Schiff; man fuhr dahin, Papa stand am Ufer und winkte, aber man segelte nicht davon, sondern auf ihn zu, und plötzlich stand Escarlati an Deck, hatte zwei Haufen von Papieren vor sich und warf Noten ins Meer, verwechselte aber die Stapel und sah seine beiden Sonatenbände im Kielwasser versinken, während der andere, der Opernstapel, von selbst in die Höhe wuchs und ihn, als das Schiff krängte, zu erschlagen drohte – ohne zu zögern sprang er den versinkenden Sonaten nach ins Meer, das nun wieder aus siedendem Öl bestand; das Schiff hinter ihm fing Feuer, und die Segel brannten lichterloh, flatterten wie Gewänder um einen unglaublich dünnen Körper, den Mast, der verkohlte und schrie …
    Nein, Escarlati selbst war es, der schrie, dabei erkannte, dass er träumte, das Schiff untergehen sah, die Meeresgischt in Bettwäsche rückverwandelte und erwachte. Das Ende seines Schreis klang in den Wachzustand nach.
    Papa, was hast du in meinem Albtraum zu suchen?
    Sogleich, während er aus dem Bett sprang, fiel ihm alles wieder ein. Als Maria Barbara von ihm gewichen war und die Glocke ihres Rockes wieder herabgedrückt hatte, stand er wie betäubt. – Mein Gott, dachte er, was habe ich getan? Er schämte sich, wagte nicht, der Prinzessin in die Augen zu sehen, ordnete seine Beinkleider, stopfte nach innen, was nach innen gehörte, wobei er einen Samenrest auf dem Leinen wahrnahm, wie Schnee, doch blassrosa, schmelzend, schon in einem dunklen Hof aus Feuchtigkeit.
    Die Prinzessin aber schien gar nicht verlegen. »… Aus dem Palast geschlichen, den Lehrer verführt, den Gemahl betrogen«, flüsterte sie. »Bin ich nicht eine garstige Schülerin? Was wohl als Nächstes kommt?«
    Sie war außer sich, ekstatisch und nicht sie selbst – oder endlich sie selbst?
    Ihre Blicke kreuzten sich erneut: wir zwei Spitzbuben! – Und er betrachtete sie voller Erstaunen und Bewunderung. Noch einmal kam ihm die Prinzessin nahe und küsste ihn auf den Mund. Er wollte sie festhalten, an sich ziehen – und nie mehr loslassen –, doch sie wich zurück.
    »Seit Lisboa schon …«, begann er, doch Maria Barbara drückte ihm einen Zeigefinger auf die Lippen.
    Ihr schwarzer Humor war verflogen, und Schmerz stieg empor – auch bei ihm, denn schon war sie, die junge Geliebte, die Adlige, die Herrin, wieder verloren. Das verstand er im Augenblick.
    Auch Candela hat mir die Lippen versiegelt, kam ihm in den Sinn. Dort: nicht fragen – hier: nicht weiter!
    Es war früh am Morgen, doch Escarlati raffte sich auf, kleidete sich an, schritt durch die verlassenen Gänge des Alcázar und hinaus in die Stadt, vorbei am schlafenden Wächter.
    Wie kann ich ihr je wiederbegegnen?, fragte er sich und dachte mit Sorge an den nächsten Unterricht.
    Sie, die Prinzessin, hatte sich, als ihrer beider sonderbare Stunde vorüber war – die ihr mittlerweile nur noch wie ein Traum vorkam –, also, nachdem man sich zurechtgemacht hatte, zur Tür des Musikzimmers geschlichen und den Schlüssel langsam und lautlos umgedreht, hatte dann durch den geöffneten Türspalt hinausgelugt – die Luft war rein, kein lauschender Gemahl, keine Zofe, dem Himmel sei Dank –, und Escarlati war wie ein Dieb davongeschlüpft, wobei Maria Barbara ihn noch einmal sanft an der Schulter berührte, die Hand mitgleiten ließ, bis sie nichts mehr griff, hatte dann die Tür wieder geschlossen, durch das Fenster in den Garten geblickt – von einem Paradies in das

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