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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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ihr gestorben! Und hat es sich nicht gelohnt, wenn ihr all die glücklichen Menschen in der Zukunft seht? Und alle auferstandenen, wieder in ihr altes Fleisch gekleideten Seelen werden um diese herrliche Welt herumgehen und sie betrachten wie … wie wir schon heute das Gipsmodell der Kathedrale im Ayuntamiento, von oben, alles im Blick, alle Jahrhunderte zugleich. Sie werden das Kirchenschiff wachsen sehen – und vielleicht auch wieder schrumpfen – wie einen Pilz an einem Baum und die Giralda wie ein Bambusrohr …«
    »Na, ich weiß nicht«, sagte Curro.
    »Du kannst einem auch allen Wind aus den Segeln nehmen«, maulte Japón, »dann eben nicht. Woher soll ich das alles auch wissen. Ich habe keine Ahnung. Genauso wenig wie ihr. Und außerdem bin ich Japaner, und euer Denken ist mir fremd.«
    »Wenigstens hast du es versucht. Bravo.«
    »Mir ist nicht so recht zum Lachen zumute«, mischte sich Escarlati ein. »Was kommt denn nun nach dem Tod?«
    »Andererseits bedeutet meine Theorie«, fuhr Japón fort, den seine eigenen Spekulationen nicht mehr losließen, »dass, wenn also die Welt immer besser wird, dies nur bis zu einem ganz bestimmten finalen Punkt hin geschehen kann, bis nämlich die bestmögliche aller Welten erreicht ist: das Paradies. Also der Ausgangspunkt. Und dann kehrt Christus zurück und führt das Jüngste Gericht durch. Ja? Und die Gerechten können endlich, wie gesagt, mit eigenen, fleischernen Augen sehen, wofür sie gelitten haben und dass es sich gelohnt hat.«
    »Gar, wofür sie verbrannt wurden«, sagte Curro.
    »Irrtümer kommen nun einmal vor«, sagte Japón, wobei er den Satz mit zynischem Ton in die Rolle eines Inquisitionsbeamten schlüpfen ließ. Er schob seine Hände über einem imaginären fetten schwarzen Bauch ineinander und ließ die Daumen kreisen. »Da kann man nichts machen.«
    »Der göttliche Hirte oder der göttliche Metzger … Nur ein kleiner Unterschied in der Lebensgeschichte eines Lammes«, sagte Curro und lachte bitter.
    Japón hatte nicht hingehört und sprach weiter, beziehungsweise wiederholte bereits Gesagtes, hatte er sich doch in etwas verrannt: »Den Jüngsten Tag gibt es also nicht dazu, um dem Tod den Stachel zu nehmen – dies wäre ein allzu menschlicher Grund, denn sterben, das müssen wir nun einmal, sondern einzig und allein, um allen Menschen den Sinn ihrer Existenz, ihres Aufenthaltes im Tal der Tränen, also genau hier«, er ließ den Zeigefinger über dem Tresen kreisen, als rühre er Kaffee um, »zu zeigen – zu zeigen , nicht zu erklären oder gar etwas zu versprechen oder zu weissagen, nein: ihnen vor Augen zu führen. Und dafür müssen diese Augen wieder leben. Was haltet ihr davon?« Er lehnte sich zurück.
    »Nichts«, sagte Curro. »Das will ich alles gar nicht sehen. Und glaubst du wirklich, die unendliche Kette des Leidens risse einmal ab? Wann soll es denn so weit sein? Wie lange soll es noch dauern? Werden wir die Auferstehung des Fleisches denn noch miterleben?«
    Diese wahnwitzige Frage zeigte, dass Curro rein gar nichts begriffen hatte. Japón verdrehte resigniert die Augen und wandte sich dann Domingo zu.
    »Auch nichts«, sagte Escarlati. »Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Wahrscheinlich fehlt mir die nötige Fantasie. Bin ja nur Künstler, nicht Philosoph.«
    »Wie willst du Künstler sein ohne Fantasie?«
    »Nun gut, da hast du recht. Trotzdem …«
    »Er meint: Vorstellungskraft.«
    »Oder Vernunft.«
    »Blöd bin ich nicht.«
    »Nein, nein …«
    »Fragen wir doch einfach den Fachmann für Jüngste Tage selbst«, sagte Curro in das Durcheinander, als der wirre Prediger sich wieder näherte.
    »Ich mach’s«, sagte Japón entschlossen, wollte sich erheben, doch Curro hielt ihn zurück. »Das ist kein Spaß. Sei vorsichtig.«
    »Ach nein? Der Jüngste Tag kein Spaß? Folgt auf ihn nun doch nicht das Paradies?«
    »Was hat denn das mit Spaß zu tun?«
    »Na, wenn es dort keinen gibt, wo dann?«
    »Ferkel!«
    »Selber …«
    »Manchmal frage ich mich wirklich«, seufzte Domingo, »wer verrückter ist – die Königsfamilie oder ihr.«
    »Pssst«, zischte Curro und blickte sich um.
    Der Prediger hatte, wie immer, mehrere Gestalten im Schlepptau, die ihm in einigem Abstand, um nicht allzu deutlich mit ihm in Verbindung gebracht zu werden, nachgingen, unsicher wie Gefangene, die nach langer Zeit wieder ans Tageslicht treten. Ihr Prophet sprach fortwährend und nun für die drei Freunde, die sich mittendrin in die Predigt

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