Klang des Verbotenen
ein Schnellpaket für den nächsten Segler in Empfang. »Seid unbesorgt. Gehen wir.« Der Prediger blickte verwirrt zwischen Domingo und den Häschern hin und her, verstand nicht: Wer ist hier wer?
»Wohin bringt Ihr ihn?«, fragte Escarlati besorgt und nicht im Geringsten beruhigt. »Wo kann man ihn aufsuchen?«
»Ins Hauptquartier, zum Bischofspalast. Aufsuchen: Nun, das wird nicht so einfach sein. Diesbezüglich gibt es Regeln.«
»Genehmigung beantragen, das geht«, sekundierte der zweite.
»Und wie finde ich Euch – wenn schon nicht ihn – dort?« Escarlati schwitzte und hielt sich im Zaum, spürte Zorn in sich aufsteigen.
»Monseñor Rávago …«
»Den kenne ich.«
»… ist der Verbindungsmann zum Alcázar. Sprecht mit ihm. Er wird Euch alle Fragen beantworten.«
»Der alte Mann ist verrückt. Das seht Ihr doch?«, wiederholte Escarlati. »Nicht wahr? Nicht wahr? «
»Umkehren, bevor es zu spät ist«, murmelte der Seher, »das ist immer gut …«
Escarlati stand unschlüssig, drehte sich zu Montoya, der die Lippen zusammenbiss und die Schultern hob. Was konnte man mehr tun? Nichts.
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte der Beamte noch einmal. »Wir gehen der Sache nach. So, wie es seine Richtigkeit hat.«
»Nehmt Euch in Acht. Am besten: Schweigt«, sagte Domingo zu dem Prediger.
»Ja. Schweigt. Wo gehen wir hin?«, fragte dieser, als die zwei Spitzel ihn in die Mitte nahmen. Er überragte sie und blickte auf die beiden hinab, gütig wie ein Vater auf seine Kinder.
»Nach Hause, in den Schoß deiner Kirche«, sagte der Kleinere sanft.
»Gibt es dort auch Sünder? So wie hier in der Stadt?«
»So viele du willst.«
»Also muss ich auch dort predigen?«
»Aber ja. Erzähle uns alles, was du weißt.«
»Nun komm«, sagte der Gehilfe und gab dem Propheten einen Schubs, als stoße er ein Boot ins Wasser.
Escarlati gesellte sich wieder zu seinen Freunden, griff zum Weinglas und starrte dem davonmarschierenden Trio nach. Er sah, aber hörte nicht mehr, wie der Prophet auf seine Entführer einredete, die unendliche Predigt also fortsetzte.
»Wie eine Mutter zwischen ihren zwei Kindern«, sagte Japón und seufzte dabei tief.
»Zwei unartigen Kindern«, fügte Escarlati hinzu.
»Danke, Domingo«, sagte Curro.
»Er ist plemplem. Das sieht doch jeder«, sagte Escarlati mit flehentlichem Blick, während er mit der flachen Rechten die Luft vor seiner Stirn polierte. »So ist es doch? Was meint ihr?«
»Ja«, sagte Montoya. »Ein jeder« und schwieg dann: zu wenig Überzeugung und zu viele Erfahrungen darin, dass es sich nicht so verhielt. Dies konnte Escarlati, der Zugereiste, noch nicht nachvollziehen, und Curro wollte seinen Freund nicht beunruhigen. Was würde das auch nützen?
Die Stimmung war gedrückt, der Tag irgendwie verdorben, angefault wie eine alte Orange. Es war, als fehle auf einmal das kindliche Geplapper des wirren Weisen, als sei ein seltener Vogel verstummt oder aus seinem Käfig entwischt, der nun leer stand …
»Heute werde ich früh nach Hause gehen«, sagte Japón in den leeren Käfig hinein, wobei er sich mitten im Satz räuspern musste, denn die Stille war rau und ungemütlich.
»Ja, auch ich …«, murmelte Curro, und Escarlati dachte an Candela und daran, dass er sie in der Nacht wieder bei sich haben wollte, ja, musste. Er mochte nicht – nie mehr! – allein schlafen und verspürte eine neue, pochende und undefinierbare Angst. Die Entfernung von der Heimat spannte sich plötzlich vor seinem inneren Auge auf, und er fühlte sich nicht mehr in der Mitte des Daseins, sondern am Rand, am Rand eines brüchigen Kontinents. Alles ist endlich und bedroht, kann stürzen, dachte er – ob dies die Wirkung der wahnsinnigen Predigt war?
»Candela«, murmelte er mit vom Wein beschwerter Zunge und dabei Curro in die Augen sehend, »ich brauche dich jetzt. Will nicht allein sein.«
Montoya nickte.
28
Nun aber nicht zu vergessen das Kontrastprogramm zur Semana santa! Man kann ja nicht 24 Stunden am Tag beten, fasten und sich kasteien.
Ein Fest und Maskenspiel war angesagt, und zu diesem waren auch Gäste aus der Stadt in den Alcázar geladen.
Seit Tagen schon wartete Escarlati auf einen Ruf aus dem Palast zum nächsten Unterricht, doch: nichts. Möglicherweise hatte die Prinzessin mit den Festvorbereitungen zu tun und kam nicht dazu, eine Stunde anzuberaumen geschweige denn zu üben, aber trotzdem war Domingo unruhig. Er hatte Angst davor, Maria Barbara unter die Augen zu
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