Klar Schiff zum Gefecht
herausbekommen.
Der Freibeuter
Bolitho öffnete seine Augen und starrte einige Sekunden lang auf die gelöschte Lampe, die über seiner Koje schaukelte. Er konnt e keinen Schlaf finden, obwohl er während der Nacht öfters an Deck gewesen war und bleierne Müdigkeit auf seinen Gliedern lastete. Hinter dem Vorhang, der sein Schlafabteil von der Kajüte trennte, sah er das bleiche Licht der Morgendämmerung. Das träge Pendeln der Laterne und unbehagliches Knarren der Balken verrieten ihm, daß nur eine leichte Brise wehte. Er versuchte sich zu entspannen und fragte sich, wie lange es wohl noch dauern mochte, bis er es sich abgewöhnt hätte, jeden Morgen mit der Dämmerung aufzuwachen, bis er sein neues Alleinsein genießen konnte.
Oben auf dem Achterdeck tappten Füße, und er vermutete, daß nun bald die neue Wache an Deck kommen mußte. Zwei Wochen waren vergangen, seitdem der Geleitzug in Antigua Anker gelichtet hatte, und sie hatten erst die Hälfte der vorausberechneten Strecke absegeln können. Tausend Seemeilen hatten sie inzwischen auf offener See zurückgelegt, und wenn sie sich nicht jede Meile gegen widrige Winde erkämpfen mußten, so dümpelten sie hilflos in nervenzerreißenden Flauten. Kaum verging eine Stunde, ohne daß die Seeleute an Deck gerufen wurden. Ständig mußten sie Segel setzen oder wegnehmen oder, in der Hoffnung, den letzten Hauch einer Brise einzufangen, die Rahen trimmen. Dann wieder zwang sie eine hohnlachende heftige Bö zum Reffen.
Buckles düstere Voraussagen über die Segeleigenschaften der Sparrow bei schwachem Wind hatten sich als nur allzu wahr erwiesen. Immer wieder war das Schiff mit flappenden Segeln und nervenzerrüttendem Ächzen und Klappen im Rigg abgetrieben, während sie bei abflauendem Wind im hohen Seegang schlingerten. Mit Fluchen und harter Arbeit war die Sparrow zwar immer wieder auf ihre Position gebracht worden, doch meist begannen noch vor Ende der Wache alle Mühen aufs neue. Seitdem die Korvette im Einsatz war, hatte die Besatzung meist Erkundungs- und Patrouillenfahrten unternommen, und nun mußte sie sich an das Elend des Geleitschutzsegelns über lange Strecken gewöhnen. Die beiden Transportschiffe machten ihr die Arbeit nicht gerade leicht. Die Frachtkapitäne schienen die Notwendigkeit, in geschlossener Formation zu segeln, nicht begreifen zu wollen. Wenn der Konvoi durch eine heftige Bö zerstreut wurde, vergingen meist viele Stunden, bis die trägen, schweren Schiffe mit Drängen und Drohen endlich wieder auf ihre Positionen getrieben waren. Die barschen Signale Colquhouns hatten lediglich erreicht, daß der Kapitän der Golden Vleece, einer der großen Transporter, in törichter Widerspenstigkeit alle Befehle mißachtete. In vielen Fällen hatte er sich überhaupt nicht um die Signale gekümmert und so die Fawn gezwungen, ihren Posten an der Spitze des Geleitzuges zu verlassen und ihre Anweisungen mit lautem Brüllen von Schiff zu Schiff durchzusetzen.
Bolitho kletterte aus seiner Koje und ging langsam durch die Kajüte. Unter seinen bloßen Füßen spürte er, wie sich die Sparrow leise anhob und dann wieder in ein Wellental hinunterglitt. Der Rudergänger versuchte, die Schiffsbewegungen, die vom üblichen Klappern der Blöcke und dem langgezogenen Quäken des Ruders begleitet waren, zu stützen.
Bolitho stemmte seine Hände auf das Sims der Heckfenster und starrte auf die leere See hinaus. Die beiden Transporter mußten – wenn sie überhaupt noch beisammen waren – irgendwo steuerbord voraus segeln. Sein Auftrag lautete, sich in Luv der schwerbeladenen Schiffe zu halten, so daß die Sparrow zu jedem verdächtigen fremden Schiff hin abfallen konnte und die größtmöglichen Segelvorteile hatte, bis sich herausstellte, ob es Freund oder Feind war.
Tatsächlich hatten sie bereits dreimal ein unbekanntes Segel gesichtet, Da es weit achteraus über der Kimm erschien, konnten sie nicht sehen, ob es jedesmal dasselbe Schiff war. Jedenfalls hatte sich Colquhoun geweigert, zur Erkundung zurückzusegeln. Bolitho konnte seine Abneigung, die wertvollen Transportschiffe zu verlassen, gut verstehen. Denn wenn die Geleitschutzkräfte aufgesplittert waren, konnte der Wind in seiner Launenhaftigkeit den wirklichen Feind mitten unter sie bringen. Andererseits konnte er sich jedesmal, wenn der Ausguck das fremde Schiff meldete, eines unguten Gefühls nicht erwehren. Das sonderbare Segel war wie ein Irrlicht. Sollte es ein Feind sein, so konnte er
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