Klassentreffen (German Edition)
sie sich zu Franzi hinüber – nur um kurz darauf zurückzuweichen und ihre Hand von Franzis Oberschenkel zu nehmen.
Franzi erwiderte nichts. Sie startete den Motor und fuhr aus dem Parkhaus. Was machte Meike nur mit ihr? Was wollte sie von ihr? Wenn sie allein waren, konnte sie die Luft zwischen ihnen förmlich knistern hören, aber im nächsten Moment wich Meike immer wieder zurück. Franzi wurde einfach nicht schlau aus ihrem Verhalten.
»Möchtest du noch mit zu mir kommen? Ich bringe dich auch nachher gern nach Hause«, wagte Franzi nach einer Weile einen erneuten Vorstoß.
»Das ist lieb von dir. Aber . . .« Meikes Finger verschränkten sich ineinander. »Ich würde lieber direkt zu mir.«
»Kein Problem«, meinte Franzi so ruhig wie möglich. Wieder fragte sie sich, was sie denn erwartet hatte. Sie musste sich damit abfinden, dass sie und Meike nur Freundinnen waren.
Die restliche Fahrt über konzentrierte sich Franzi schweigend auf die Straße. Vor Meikes Haus hielt sie an.
»Danke«, sagte Meike, machte aber keine Anstalten auszusteigen. Sie lehnte sich zurück.
Franzi beugte sich ein Stück in Meikes Richtung. Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Wie zufällig berührten ihre Hände Meikes Finger.
Meike schloss die Augen und atmete schneller.
Ihre Gesichter näherten sich wie unaufhaltsam einander an. Schon fühlte Franzi Meikes warmen Atem auf ihrer Wange. Ein aufregendes Prickeln jagte über ihre Haut . . . ein Ziehen in ihrem Bauch . . . Ihre Hände legten sich in Meikes Nacken. Endlich trafen ihre Lippen aufeinander. Erst ganz zärtlich und behutsam, dann ein wenig fester.
Plötzlich löste sich Meike von Franzi. Sie rang nach Atem. »Du bringst mich völlig durcheinander. Du erschütterst meine ganze Welt . . . Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll«, brach es aus ihr hervor. »Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.«
Franzi nickte. Ja, wahrscheinlich war es wirklich besser so. Sie durfte ihr Herz nicht an eine Frau verlieren, die es gar nicht wollte. Franzi kämpfte ihre Enttäuschung nieder und stieg aus, um sich von Meike zu verabschieden. Zögerlich umarmte sie Meike.
»Ich melde mich bei dir«, sagte Meike.
»In Ordnung.« Franzi ließ Meike los.
Noch einen Moment standen sie voreinander. Der Mondschein hüllte sie in ein gleichmäßiges Licht. Dann drehte sich Meike um und verschwand ohne ein weiteres Wort im Hauseingang.
~*~*~*~
L ustlos stocherte Meike beim allsonntäglichen Familienessen auf ihrem Teller herum. Schweinebraten mit Salzkartoffeln und Rosenkohl. Es gab nicht viel, was sie weniger gern aß. Und das jeden Sonntag. In geringen Variationen.
Meikes Schwester schien ebenso wenig Appetit zu haben. Nur ihrem Schwager Robert schmeckte es. »Kann ich noch eine Scheibe Schweinebraten bekommen?«, verlangte er bereits den zweiten Nachschlag. Er reichte seinen Teller seiner Schwiegermutter, vor der die Fleischplatte stand.
»Natürlich. Freut mich, wenn es dir schmeckt.« Meikes Mutter legte ihm das Stück Fleisch auf den Teller und gab einen Klecks Soße darüber.
»Was hast du denn diese Woche gemacht, Meike?« Meikes Vater sah erwartungsvoll von seinem Teller hoch. Seine Augen waren von tiefen Falten umrandet; auch um seine Lippen herum hatten sich die Spuren des Alters eingegraben.
Meike, die sich bisher noch gar nicht an den Tischgesprächen beteiligt hatte, tupfte sich den Mund mit ihrer Serviette ab. »Gearbeitet.« Sie legte ihr Messer und ihre Gabel sorgfältig auf ihrem Teller ab. »Und gestern war ich mit Franziska auf dem Altstadtfest.«
»Franziska?« Johannes Jakobs legte ebenfalls sein Besteck beiseite. Seine Augen verengten sich.
»Ja, genau. Franziska Kurz, meine beste Freundin aus der Schulzeit. Wir haben uns beim Klassentreffen wiedergetroffen.« Meike hielt die Luft an. Sie wusste, wie wenig ihr Vater Franzi geschätzt hatte, auch wenn es dafür keinen wirklichen Grund gegeben hatte. Nur weil sie nicht jeden Sonntag in die Kirche gegangen war, nur weil ihre Eltern sie deutlich liberaler erzogen hatten, als das bei Meike und Claudia der Fall gewesen war, hatte Johannes Jakobs Franzi für das personifizierte Böse gehalten.
»Hm«, war alles, was ihr Vater nun entgegnete. Er nahm seine Gabel wieder in die Hand und spießte ein Stückchen Kartoffel auf. Schweigend stopfte er es in den Mund und kaute darauf herum. Für ihn war das Thema damit erledigt.
Für Meikes Mutter hingegen nicht. »Ach, das ist aber schön.
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