Klassentreffen (German Edition)
Pfarrer Bach kannte sie gut, schon seit ihrer Kindheit. Sie hätte ihm gern ihr Herz ausgeschüttet, aber . . . sie konnte es ihm nicht sagen. Schwach schüttelte sie den Kopf. »Es ist alles in Ordnung.«
Pfarrer Bach nahm ihre Hand, und mit leichtem Druck zwang er sie, ihm in die Augen zu schauen. Geduldig, aber nachdrücklich sah er sie an und wartete auf eine Antwort.
Sie wusste, ihm konnte sie vertrauen. Nur fehlten ihr die Worte. Ihre Zunge war schwer wie Blei; es war ihr unmöglich zu sprechen.
»Meike, das glaube ich dir nicht. Was kann denn so Schlimmes passiert sein, dass dein Lächeln völlig verschwunden ist?« Seine Stimme klang sanft.
Meikes Herz raste. Ihre Finger wurden feucht. Konnte sie ihm doch von Franzi erzählen?
»Du weißt, du kannst mir alles sagen«, ermutigte er sie noch einmal.
Endlich nahm Meike all ihren Mut zusammen. »Ich habe mich verliebt. Wahnsinnig verliebt. Und ich bin so glücklich wie niemals zuvor.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht beim Gedanken an Franzi.
»Das ist doch wunderbar. Ich freue mich für dich, wenn du glücklich bist. Du hast es verdient.«
»Ja, aber das ist nicht alles. Ich habe mich in . . . wie soll ich sagen? Ich habe mich . . .« Sie atmete tief durch. Ihre Kehle fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an. »In eine Frau verliebt.« Ihre Stimme war nur ein dünnes Krächzen. Aber es war heraus.
Erleichterung und Angst mischten sich in ihr. Sie wagte nicht, Pfarrer Bach anzusehen. Mit angehaltenem Atem schaute sie hinunter auf ihre Hände und wartete auf eine Reaktion. Aber es kam keine.
Ihre Finger verknoteten sich krampfhaft. Ganz klar, es war eine Schnapsidee gewesen, ausgerechnet ihrem Pfarrer von ihrer Liebe zu einer Frau zu erzählen. War sie von allen guten Geistern verlassen? Was hatte sie denn erwartet?
Endlich hörte sie Pfarrer Bach seufzen. »Hm, das ist ein Problem. Was soll ich da jetzt sagen? Du bringst mich in gewisse Schwierigkeiten. Natürlich gönne ich dir dein Glück von ganzem Herzen, und eigentlich soll es mir auch egal sein. Aber eine Frau?« Er ließ Meikes Hand los. »Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Ich weiß nicht, was ich dir antworten kann. Ich möchte deinem Glück nicht im Wege stehen, aber vielleicht solltest du noch mal darüber nachdenken. Eigentlich habe ich ja nichts gegen Homosexuelle. Aber du in deiner Position . . . ich meine, als Lehrerin. Und als Tochter eines Religionslehrers.«
Pfarrer Bach sprach genau die Punkte an, die auch Meike tagtäglich beschäftigten. Das wusste sie doch alles selbst. Sie fühlte sich zwar nach wie vor erleichtert, ihr Geheimnis doch endlich einmal ausgesprochen zu haben, aber im Grunde war dadurch nichts leichter geworden. »Ich weiß«, sagte sie. Sie legte ihren Kopf in die Hände. Tränen stiegen in ihr hoch, und sie musste dagegen ankämpfen. Warum war das nur so schwer?
Pfarrer Bach legte erneut seine Hand auf Meikes Schulter. »Tu das, was du für richtig hältst. Folge deinem Herzen. Du wirst schon wissen, was du tust. Gott wird dich leiten. Und wenn du eine Frau liebst, wird das seinen Sinn haben.«
Meike hob den Kopf. Langsam hellte sich ihr Gesicht auf. »Danke.«
Der Pfarrer stand auf und ließ sie allein. Sie blieb noch einen Moment sitzen, bevor sie die Kirche verließ.
»Was hast du eigentlich vorhin noch mit Pfarrer Bach besprochen?«, fragte Meikes Vater in die Stille. Die ganze Familie saß zum gemeinsamen Mittagessen um den Tisch.
»Nichts«, erklärte Meike einsilbig.
»Dafür warst du aber noch lange in der Kirche.« Johannes Jakobs’ Stimme klang scharf.
»Er wollte nur wissen, wie es mir geht.« Meike spießte ein Stückchen Pute auf ihre Gabel.
Meikes Vater nickte. Scheinbar gab er sich mit dieser Antwort zufrieden. »Ich bin sehr froh, dass du Zeit gefunden hast, mit uns in die Kirche zu kommen«, bemerkte er noch.
»Natürlich, Papa. Ich weiß doch, wie wichtig dir das ist.« Meike seufzte.
»Es ist ja auch eine wichtige Tradition. Und zum Erntedankfest gehört ein Kirchbesuch einfach dazu.« Johannes Jakobs schob mit dem Messer ein wenig Rotkohl auf seine Gabel. »Wenn ihr sonst schon nicht mehr in die Kirche geht«, fügte er mit vorwurfsvollem Unterton hinzu.
Claudia, die neben Meike saß, verdrehte die Augen. »Sei doch froh, dass wir überhaupt ab und zu mitkommen.«
»Von dir habe ich auch nichts anderes erwartet.« Meikes Vater sah Claudia mit funkelnden Augen an.
»Ich weiß, ich bin sowieso das
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