Klassentreffen (German Edition)
Zimmer.
Karsten stand vor der Tür und erwartete sie. »Hast du dir schon eine Route überlegt?«
»Das war deine Aufgabe«, zischte Meike.
»Ist sowieso besser. Solche verschlungenen Pfade, wie du manchmal wählst.« Er verdrehte die Augen. »Das wollen wir unseren Kids ja nicht antun.«
Meike spürte ein Ziehen in ihrer Magengegend. Was wollte Karsten damit schon wieder andeuten? Oder riet er einfach nur ins Blaue? Sie atmete tief durch. »Los, komm, unsere Schüler warten.«
»Soll ich dir helfen?« Herausfordernd fixierte Karsten Meike, die gerade dabei war, den Gemeinschaftsraum aufzuräumen.
»Danke, das geht schon.« Meike wollte nur noch ins Bett. Die Busfahrt steckte ihr noch in den Knochen; sie war froh, den ersten Abend überstanden zu haben.
»Aber, aber . . .« Karsten ergriff einen Stuhl. »Ich kann eine schwache Frau doch nicht allein arbeiten lassen.« Er stellte den Stuhl zu den anderen.
»Karsten, ich brauche keinen Aufpasser«, sagte sie scharf.
»Du verstehst das falsch. Ich passe nicht auf dich auf, sondern ich helfe dir nur.«
»Auch das ist nicht nötig.« Meike stapelte mehrere Stühle ineinander. Als sie sie anhob, zog es in ihren Oberarmen – der Stapel war viel zu schwer für sie. Aber das war ihr egal. Hauptsache, sie würde schnell fertig werden.
Als sie die Stühle in der Ecke des Raumes abstellte, stand Karsten plötzlich neben ihr. Seine Finger strichen über ihre Arme. »Mehr Muskeln, als ich erwartet hätte.«
Meike fuhr herum. »Fass mich nicht an. Sonst schrei ich.«
»Werd doch nicht immer gleich hysterisch.« Karsten grinste breit über das ganze Gesicht. »Oder lässt du dich nicht mehr von Männern anfassen?«
Meike zuckte zusammen. Aber sie gab sich alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.
»Nur noch von deiner kleinen Freundin. Wie hieß sie noch gleich?« Karstens Lachen klang bösartig.
Meike holte tief Luft. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, antwortete sie so ruhig wie möglich. Aber sie merkte, wie ihre Stimme zitterte.
»Diese Dunkelhaarige, die dich so überschwänglich nach der Schule begrüßt oder mit der du Hand in Hand über das Altstadtfest läufst.« Karsten schien seinen Triumph zu genießen. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln.
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Meike presste die Lippen aufeinander.
Karsten stand so dicht vor Meike, dass sie seinen Atem im Gesicht spüren konnte. »Erzähl mir nicht, ihr seid nur Freundinnen.« Sein Finger strich durch ihre Haare, fuhr über ihre Wange. »Ein wahrer Verlust.«
Panik ergriff Meike. Aber sie war nicht in der Lage, sich zu bewegen, die verhasste Berührung abzuwehren. Stocksteif stand sie auf der Stelle.
»Also, wer ist die Kleine? Besorgt sie es dir so richtig?« Karsten beugte sich noch näher zu Meike. Seine Lippen berührten ihr Ohr. Sie fühlte sich krank vor Angst und Ekel. »Ich bin mir sicher, so gut wie ich ist sie nicht.«
»Karsten!« Endlich gelang es ihr, ihren Kollegen ruckartig zur Seite zu schieben. »Hör auf damit. Was soll das?«
»Mach mir doch nichts vor. Ich weiß, dass du ’ne Lesbe bist«, ätzte Karsten.
»Das ist völliger Blödsinn.«
»Ist es nicht.« In seinen Worten schwang Verachtung mit. »Lesbe.« Er spuckte ihr das Wort entgegen, als sei es das schlimmste Schimpfwort, das er kannte.
Die Angst vernebelte Meike die Sinne. Was sollte sie nur tun? Was sollte sie sagen? Wieso war sich Karsten überhaupt so sicher – was wusste er? Aber sie durfte ihm nicht die Wahrheit sagen.
»Hat es dir die Sprache verschlagen? Habe ich recht?« Karsten funkelte Meike an.
»Nein, ich stehe nicht auf Frauen.« Kaum hatte sie diese Lüge ausgesprochen, tauchte Franzis Gesicht vor ihrem inneren Auge auf. Sie spürte einen Stich in der Brust.
»Dann kannst du ja mit mir ausgehen.« Karstens Zunge leckte über seine Lippen.
Meike zeigte ihm einen Vogel. »Hast du sie noch alle?« Ihre Stimme bebte.
»Überleg es dir. Sonst weiß bald die ganze Schule, dass du ’ne Lesbe bist.«
Meike wurde heiß und kalt. Würde Karsten das wirklich machen – sie erpressen? Sie sah in Karstens höhnisch grinsendes Gesicht. Er würde. Keine Frage.
»Also, was ist? Du kannst dir sicherlich vorstellen, was los ist, wenn alle erfahren, mit wem du das Bett teilst.« Er lachte verächtlich. »Also. Beweis mir, dass du hetero bist.« Noch einmal machte er einen Schritt auf Meike zu, hauchte einen Kuss auf ihre Wange.
Meike holte aus und verpasste
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