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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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Probleme macht, dann musst du das sagen, Sabine«, sagt Renée geduldig. »Mir ist klar, dass du hier schon länger arbeitest als ich, aber das heißt nicht, dass du diese Position bekommen hättest, wenn du nicht krank geworden wärst.«
    »Ich wusste gar nicht, dass es diese Position überhaupt gibt.«
    »Es bestand Bedarf, und Wouter fand mich am besten geeignet dafür«, sagt Renée. »Damit wirst du leben müssen. So, jetzt habe ich alles gesagt, was zu sagen war. Gewöhn dir eine andere Arbeitshaltung an, dann ist alles in Ordnung. In zwei Wochen will ich dich wieder sprechen. Hast du sonst noch was auf dem Herzen?«
    Ich habe so viel auf dem Herzen, dass ich von der Last schier erdrückt werde.

KAPITEL 19
    Am Montag, dem 24., werde ich vierundzwanzig, und um in Geburtstagsstimmung zu kommen, backe ich am Sonntag einen Apfelkuchen. Ich backe gern. Früher habe ich das öfter gemacht, aber es ist lange her, dass ich mir den ganzen Aufwand mit Äpfel schälen, Mehl sieben und Eier trennen angetan habe.
    Ich hätte natürlich auch Kuchen kaufen können, aber es geht nichts über ein eigenes Rezept mit frischen Zutaten. Wie es meine Mutter immer gemacht hat, gieße ich einen tüchtigen Schuss Cognac über die Apfelstückchen und Rosinen.
    Gerüche haben die Eigenschaft, einen in bestimmte Lebensphasen zurückzuversetzen. Kaum habe ich beispielsweise den Geruch von Turnschuhen in der Nase, sehe ich mich in der Sporthalle am Rand stehen und vergeblich darauf warten, dass mich jemand in seine Mannschaft wählt.
    Der Duft von selbst gebackenem Apfelkuchen erinnert mich wiederum an meinen vierzehnten Geburtstag.
    Eine Geburtstagsfeier für meine Klassenkameraden wollte ich eigentlich nicht machen, aber dann geschah etwas, das alles veränderte.
    In der Woche vor meinem Geburtstag hatte Isabel plötzlich einen Anfall. Sie bekam Gesichtszuckungen, schnalzte mit der Zunge, machte Schmatzgeräusche, und ihr Atem stockte. Ich sah sie fallen, mitten auf dem Pausenhof. Die anderen Mädchen wichen erschrocken zurück, ein paar knieten sich neben sie und starrten hilflos auf ihren zuckenden
Körper. Der Anfall dauerte noch keine Minute, da hatte ich bereits meine Jacke unter ihren Kopf geschoben und eine Klassenkameradin gebeten, das Rad neben Isabel wegzustellen, damit sie sich nicht daran verletzen konnte.
    Ich blieb die ganze Zeit bei ihr sitzen und sprach leise auf sie ein. Es war kein sehr schwerer Anfall, und ich sah ihr an, dass sie jedes beruhigende Wort mitbekam.
    Allmählich ließ das Zucken der Arme und Beine nach, und der ganze Körper kam zur Ruhe. Ich half ihr beim Aufstehen und machte sie mit einer diskreten Geste, die ich seit Jahren benutzte, auf Spuckefäden im Mundwinkel aufmerksam. Sie wischte sie weg. Sonst stand sie immer ganz schnell auf und tat, als wäre nichts passiert, indem sie mit einem Scherz über die Sache hinwegging und dann gleich wieder das große Wort führte. Aber diesmal musste sie sich noch ein Weilchen ausruhen.
    Ich begleitete sie in Herrn Groesbeeks Hausmeisterzimmer und wischte auf dem Weg noch rasch Zigarettenasche und Kaugummikügelchen von ihrer Jeansjacke.
    »Soll ich dich nach Hause bringen?«, fragte Herr Groesbeek fürsorglich.
    Aber Isabel wollte nicht nach Hause. Ich blieb bei ihr, bis sie sich wieder besser fühlte – die ganze Englischstunde lang. Herr Groesbeek hatte uns beim Lehrer entschuldigt. »Du bist eine gute Freundin«, sagte er zu mir.
    Isabel und ich sahen einander nicht an. Wir redeten auch nichts, nicht mal, als Herr Groesbeek kurz rausging, um einen Schwänzer auf dem Hof abzufangen. Eine volle Schulstunde saßen wir da; ich behielt Isabel im Auge und holte ihr ein Glas Wasser, damit sie ihre Medikamente nehmen konnte. Wir sagten nur das Allernötigste, etwa »Bitte, ein Glas Wasser«, »Danke«, »Geht’s wieder?« und »Ja, es geht wieder«.

    Anschließend hatten wir Mathe. Zu meinem Erstaunen wurde ich den restlichen Tag über in Ruhe gelassen. Ich hatte sogar den Eindruck, dass mich die anderen irgendwie respektvoll behandelten. Hinter meinem Rücken wurde nicht gekichert, meine Bücher blieben in der Schultasche, und in meinem Portemonnaie fehlte nichts, als ich mir in der großen Pause beim Schulbäcker einen Mandelkuchen kaufte.
    Sie ließen mich die ganze Woche in Ruhe. Ich konnte es kaum glauben. Langsam, aber sicher wagte ich mich näher an die Clique ran. Niemand unternahm etwas dagegen.
    Ich testete meine neue Stellung aus, indem ich nach dem

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