Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
Vom Netzwerk:
sie.
    »Wovor?«
    »Über dich wird ziemlich viel geklatscht. Es heißt, dass du dich zu wenig engagierst. Und dass du nur halbtags arbeitest und trotzdem so viele Fehler machst, das erregt Unmut.«
    Keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Ein Ring legt sich um meine Brust und schnürt mir die Luft ab.
    »Sie halten dich für eine Simulantin«, sagt Zinzy leise. »Für eine Schmarotzerin.«
    »Ich arbeite auf ärztlichen Rat hin nur halbtags. Vor einem Jahr hatte ich einen kompletten Zusammenbruch. Die Vormittage hier kosten mich meine ganze Energie«, sage ich erregt. Nach jedem Wort muss ich Luft holen.
    »Weiß ich doch«, sagt Zinzy mitfühlend. »Aber für viele ist man erst krank, wenn man am Beatmungsgerät hängt. Ansonsten geht man arbeiten – so jedenfalls denkt Reneé, und sie hat großen Einfluss auf die anderen. Was ist mit dir? Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
    »Ja. Bitte.«
    Zinzy holt Wasser, und ich trinke ein paar Schlucke.
    »Geht’s wieder?«, fragt sie besorgt. »Du warst auf einmal leichenblass.«
    »Geht schon.« Ich lächle matt. »Danke, Zinzy.«
    Sie nickt und geht an ihren Platz.
    Ich mache mich an den Berg Post. Nach einer Dreiviertelstunde bin ich immer noch damit beschäftigt, und meine
Kopfschmerzen werden in dem Ausmaß schlimmer, wie der Haufen Gummibänder wächst.
    Am späten Vormittag kommen Wouter und Renée zurück, sie lachen und reden.
    Zinzy ist im Archiv. Kaum ist Renée allein mit mir im Sekretariat, hört sie auf zu lachen. Sie setzt sich schweigend an ihren PC. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass sie den Umschlag mit dem zerrissenen Brief aus ihrem Eingangskorb nimmt und öffnet. Sie sagt aber keinen Ton.
    Ich schweige ebenfalls und arbeite gelassen weiter. Die Stille lastet schwer im Raum.
    Es stimmt schon, mir unterlaufen zu viele Fehler. Ich schicke Faxe an die falsche Adresse, hefte Dokumente in den falschen Ordnern ab, und meine Hausmitteilungen sind voller Tippfehler. Also verbanne ich alles, was mich so beschäftigt, aus meinen Gedanken, konzentriere mich auf die Arbeit und gebe mein Bestes. Eine Zeit lang geht alles gut. Ich prüfe die Faxe vor dem Verschicken und ordne die Arbeiten auf meinen Schreibtisch nach Priorität.
    Dann stürmt Roy ins Sekretariat und fragt gereizt, warum die Kuriersendung schon den ganzen Vormittag an der Rezeption liege.
    »Ich hatte dich doch gebeten, die Sendung zu holen, Sabine«, sagt Renée vorwurfsvoll. Sie wirft Roy, der vor lauter Ärger rot angelaufen ist, einen versöhnlichen Blick zu. »Ich geh rasch selbst, Roy. Tut mir Leid, ich hätte kontrollieren müssen, ob das erledigt ist.«
    »Das ist doch nicht deine Schuld«, knurrt Roy. »Irgendwas muss sie doch wohl zuverlässig machen können.«
    Renée macht eine beschwichtigende Geste und verlässt das Sekretariat zusammen mit Roy. Ich höre die beiden im Flur gedämpft reden. Meine Hände zittern.

    Margot und Zinzy sitzen an ihren Schreibtischen und arbeiten ungerührt weiter.
    »Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mich darum gebeten hat«, sage ich.
    »Ich hab’s aber gehört«, sagt Margot, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen. »Als du am Faxgerät gestanden hast.«
    » Mich soll sie gebeten haben? Ausdrücklich mich? Hat sie mich angeschaut und meinen Namen gesagt?«
    Mit einem Ruck dreht sich Margot auf ihrem Bürostuhl zu mir um: »Meine Güte, Sabine, was soll das? Muss sie sich etwa jedes Mal vor dich hinstellen, dir in die Augen schauen und explizit deinen Namen sagen, damit du’s kapierst?«
    »Scheint so«, sage ich.
    »Dann weiß ich nicht, was du hier willst«, fährt Margot mich an.
    Ich sehe zu Zinzy hin, die sich sichtlich unbehaglich fühlt. »Du bist oft geistesabwesend, Sabine«, sagt sie. »Das ist schon auffällig.«
    Ich beiße mir auf die Lippe, damit ich die Fassung nicht verliere. »Das wird schon seine Gründe haben.«
    »Immer noch?«, sagt Margot hämisch. »Nachdem du ein Jahr lang zu Hause rumgehockt hast? Manche Leute sind einfach arbeitsscheu.«
    Die Bemerkung bleibt greifbar zwischen den Druckern, Computern und überquellenden Ablagekörben hängen. Tessa und Luuk kommen herein, bleiben verdutzt stehen und verschwinden nach einem unsicheren Blick in die Runde schnell wieder. Im Flur reden sie leise miteinander.
    Ich gehe zur Toilette, drehe den Wasserhahn auf und halte meine Handgelenke unter den kalten Strahl. Das Zittern will nicht mehr aufhören, und mir wird immer schwindliger. Mein Kopf fängt an zu hämmern, vor meinen

Weitere Kostenlose Bücher