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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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ungewöhnlich, denn auch wenn wir nicht regelmäßig gemeinsam frühstückten, waren meine Eltern morgens doch irgendwie präsent – unser Haus war nicht so groß, dass man sich darin aus dem Weg gehen konnte.
    «Ich guck mal nach», sagte Dominik und verschwand nach oben. Währenddessen kippte ich mein halb aufgegessenes Müsli in den Ausguss und stellte die Schale in die Spülmaschine.
    Nick kam wieder runter. «Mama schläft noch. Und Papa ist schon weg.»
    «Hä? Wieso das denn?»
    «Tja, was weiß ich! Komm, beeil dich, wir müssen den Bus kriegen.»
    Ich war ganz schön verunsichert und hatte ein ungutes Gefühl im Bauch, aber ich wollte nicht darüber reden, und Dominik sagte auch nichts. Wir taten einfach so, als ob alles wie immer wäre. Und abends war es das ja auch wieder: Papa war zurück, Mama hatte Lasagne gemacht, wir aßen gemeinsam zu Abend, und keiner verlor auch nur ein Wort darüber, was morgens los gewesen war. Ich hätte natürlich fragen können. Aber wenn man nichts weiß, kann man sich besser vormachen, dass alles gut ist.

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    20
    A m Ende der Pause kenne ich nicht nur einen Großteil der Schule, sondern auch den Namen meines Banknachbarn: Maximilian. In der Klasse wird er nur Maxi-King genannt, was er allerdings nicht gerne hört, obwohl er dummerweise tatsächlich mit Nachnamen König heißt.
    Das Schulgebäude wirkt auf mich irgendwie düster, von außen wie von innen. Natürlich hängen die obligatorischen eingerahmten Bilder aus den Kunstkursen an der Wand, und es gibt Vitrinen mit selbstgebastelten Marionetten und so weiter. Aber trotzdem ist alles dunkel und bedrückend. Manchmal sehe ich jemanden von schräg hinten oder im Vorübergehen, und ich denke für einen Sekundenbruchteil: Hey, das ist doch Olli! Hey, da vorne läuft Sandra!, und ein total fehlgeleiteter Funken Wiedersehensfreude schießt durch meine Adern. Dann erkenne ich natürlich meinen Irrtum, und die Enttäuschung ist jedes Mal wie ein Sturz aus dem dritten Stock.

    N ick brachte nie Freunde mit nach Hause. Ich nehme an, das lag daran, dass er einfach keine hatte. Aber das darf man sich jetzt nicht so vorstellen, als wäre er der von allen gehänselte, bewusst ausgegrenzte Außenseiter gewesen, dem man immer wieder böse Streiche spielt. Nein, so war es nicht. Im Nachhinein würde ich sagen: Es war schlimmer.
    In den Schulpausen stand Nick mit den anderen zusammen. Nicht mit den Beliebten und schon gar nicht mit den Mädchen, sondern mit den ganz normalen Mitläufern aus seiner Klasse, den Unauffälligen, den Bedeutungslosen in Grau und Dunkelblau. Manche rauchten. Ihre Gespräche gingen ungefähr so: «Scheißkälte, Mann.»
    «Ich kapier gar nicht, was die Rixen will.»
    «Weiß die doch selbst nicht.»
    «Hast du Mathe gemacht?»
    «Mhm.»
    «Lässte mich abschreiben?»
    Also, ich stand nicht in jeder Pause mit Teleobjektiv und Richtmikrophon auf dem Schulhof, um meinen Bruder zu beobachten und alles, was er tat und sagte, in ein Protokoll einzutragen. Aber mir fiel trotzdem auf, dass er so gut wie nie redete. Die anderen störten sich nicht daran, dass er bei ihnen stand, aber sie beachteten ihn auch nicht. Dass ihn mal jemand direkt angesprochen hätte, hab ich nie mitbekommen. Und umgekehrt auch nicht.
    Genau wie die anderen ließ er seine Blicke über den Schulhof wandern. Manchmal nahm er einen Schluck aus einer Kakaoflasche oder biss in einen Schokoriegel. Es war fast, als würde er dazugehören. Nur bei näherem Hinsehen konnte man diese unsichtbare Blase um ihn herum erkennen. Ich hab sie bemerkt. Aber ich wusste nicht, was ich dagegen hätte tun sollen.

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    21
    F ranzösisch ist schlimm. Ich komm überhaupt nicht klar. Die sind viel weiter als ich. Woar, ich hasse dieses Gefühl, als Einziger nicht zu wissen, um was es geht! Die Lehrerin heißt Brüninghaus und hat mir gleich als Erstes gesagt, dass ich mich nicht unter Druck setzen soll, falls ich was nicht verstehe. Sie ruft mich zweimal auf, aber beide Male kann ich nur sagen: «Pardon, je ne sais pas …»
    Kurz vor dem Ende der Doppelstunde kommt sie an meinen Tisch und sagt, ich soll mir möglichst schnell das Buch besorgen, und sie empfiehlt mir ein Arbeitsbuch, dessen Titel sie mir in meinen Block kritzelt. Dann schreibt sie noch eine Webadresse darunter. «Da gibt’s ein paar richtig gute Übungen.» Das ist schon ganz nett und so, aber irgendwie denken immer alle Lehrer, dass ihr Unterrichtsfach das

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