Klassenziel (German Edition)
schlägt er nicht irgendwas vor? Er hat sich inzwischen in Bewegung gesetzt, Richtung S-Bahn. Ich trotte neben ihm her, weil ich schließlich in dieselbe Richtung muss. Wir wechseln ein paar Bemerkungen über den Sportunterricht.
Am Eingang der S-Bahn-Station sagt Maxi: «Okay, bis morgen dann», und damit geht er die Treppe runter. Ich kämpfe meine Enttäuschung nieder und setze den Heimweg fort.
E in paar Tage vor Billie Erkens’ Geburtstagsparty hingen Ramon, Till und ich im Probenraum ab. Wir hatten einen neuen Song eingeübt, den ich geschrieben hatte. Meine Lieblingsstrophe darin war:
Let me go, leave me alone
You’re a worm inside my bone
Find yourself another fool
I won’t be following your rule
Ich hatte fast anderthalb Stunden mit Ramon darüber diskutiert, der meinte nämlich, es müsste bones und rules heißen, aber ich fand, das wäre komplett egal, und außerdem hätte das ja den Reim kaputtgemacht. Till hielt sich raus und übte inzwischen, seine Drumsticks in die Luft zu werfen und nach einem Salto wieder aufzufangen. Dann sagte er plötzlich: «Wie wär’s denn, wenn wir Billies Party ein bisschen aufmischen?»
Ramon und ich vergaßen unseren Streit und starrten ihn an. «Wie aufmischen?»
«Na, wir wissen doch, wo das ist. Wir gehen da hin und … keine Ahnung, machen ein bisschen Stress.»
Ich fand die Idee ganz zauberhaft. In meiner Phantasie sah ich Billie entsetzt nach ihren Eltern kreischen, während Ramon, Till und ich mit Baseballschlägern die gesamte Einrichtung zerlegten. Alle würden uns wie gelähmt vor Entsetzen dabei zusehen, keiner würde es wagen einzugreifen. Und innerhalb von ein paar Minuten wären wir wieder weg. Billie würde wahrscheinlich jahrelang nebenbei kellnern gehen müssen, um den Sachschaden wiedergutzumachen. Ich grinste zufrieden.
Eine Zeitlang schaukelten wir uns gegenseitig hoch und dachten uns immer neue abgefahrene Methoden aus, um Billies Party zu einem echt unvergesslichen Event zu machen, von Buttersäure über verstopfte Klos bis hin zu Sprengstoff. Irgendwann hatte ich aber das Gefühl, meine beiden Freunde nahmen das Ganze ein bisschen zu ernst. Sie fingen an, Details zu planen – so was macht man nicht, wenn man nur mal in der Phantasie Dampf ablassen will. Also versuchte ich, sie wieder runterzuholen. Aber da hatten sie sich schon total in die Idee reingesteigert.
«Boar, was bist du für ein Schlappschwanz!», schnauzte Ramon mich an. «Was soll denn schon passieren? Wir tragen Masken, Mann! Uns erkennt doch keiner!» Das war natürlich voll idiotisch, weil in einer Kleinstadt wie Viersen jeder alles über den anderen weiß. Also wusste auch jeder, dass wir ursprünglich als Band eingeplant und dann wieder abgesägt worden waren. Und man brauchte nicht viel Grips, um daraus seine Schlüsse zu ziehen. Auf der Party würden fast nur Leute sein, die uns persönlich kannten, zum Teil seit Jahren. Natürlich würden sie uns erkennen – am Gang, an der Stimme, an der Figur, meinetwegen sogar am Geruch.
Ich versuchte, das Till und Ramon klarzumachen, mit dem Ergebnis, dass wir uns böse fetzten und ich schließlich meine Gitarre schnappte und einfach ging.
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E s ist so still und leer zu Hause, dass ich den Fernseher einschalte, um wenigstens ein paar menschliche Stimmen zu hören. Um diese Uhrzeit laufen wirklich nur unfassbar bescheuerte Sendungen. Trotzdem hänge ich schlaff im Sessel und ziehe mir diesen Schwachsinn rein. Ich kann nicht anders und hasse mich gleichzeitig dafür.
Meine Gedanken wandern frei in der Gegend rum. Ich stelle mir vor, dass Melody jetzt hier wäre. Mit ihr zusammen könnten sogar Schloss Einstein oder One Tree Hill lustig sein. Wir würden den Schauspielern Spitznamen geben oder sie mit den Leuten aus unserer Klasse vergleichen. Und wir würden immer schon im Voraus wissen, was sie als Nächstes tun oder sagen – bei solchen Serien ist das ziemlich leicht. Ich probiere es aus, nur für mich alleine. Jetzt sagt sie gleich: «Tut mir leid, ich hab’s nicht so gemeint.» Yo, da ist es schon! Wortwörtlich! Aber mit wem soll ich jetzt darüber abfeiern?
Giovanni ist wirklich ein totales Arschloch. Ich weiß nicht, ob ich Maxi noch mal darauf ansprechen soll oder ob es taktvoller ist, das Thema ruhen zu lassen. Vielleicht war Maxi deshalb so komisch eben – weil es ihm peinlich war, dass ich Giovannis blöde Sprüche mit angehört habe. Oder weil er sauer auf mich war, dass ich ihn nicht
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