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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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gewesen sein zu glauben, dass sich was verändert haben könnte.
    Ich wurde wahnsinnig wütend auf Dominik, weil der es sich mal wieder so leicht machte. Einfach mit verschränkten Armen dasitzen und den Beleidigten markieren kann schließlich jeder! Wieso blieb alles an mir hängen? Wieso musste ich mit meinem Vater Witze reißen, ihm von der Schule berichten und seine Gute-Laune-Attacke höflich über mich ergehen lassen?
    Genauso gut hätte ich natürlich auch wütend auf meinen Vater sein können. Der machte es sich ja fast genauso leicht. Warum fragte er Dominik nicht, was er hatte? Warum riskierte er nicht einfach mal einen verdammten Streit? Dann würden wir uns eben gegenseitig anbrüllen und mal alles rauslassen! Stattdessen redete er ausschließlich mit mir, weil er genau wusste, dass ich ihn nie vor den Kopf stoßen würde.
    Letztlich war ich natürlich genauso konfliktscheu und feige wie mein Vater, also konnte ich ihm keinen Vorwurf machen. Ich meine, ich hätte ja auch den ersten Schritt machen können. Hab ich aber nicht. Ich spielte meine Rolle genauso zuverlässig wie Nick und mein Vater. Wir hätten alle drei den Oscar verdient gehabt.

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    I ch bringe mein Tablett weg und hole mir noch was zu trinken. Als ich an den Tisch zurückkomme, sind Giovanni und Elias schon weg, und Maxi knöpft seine Jacke zu. «Komm, wir müssen zur Turnhalle.» Ich trotte ihm schweigend hinterher.
    Kenji zieht sich tatsächlich bei den Jungs um. Ohne seine Freundinnen wirkt er wie ein ausgesetzter Welpe. Er ist kaum größer als ein Zwölfjähriger. Keiner spricht mit ihm, alle halten Abstand. Ich beobachte aus den Augenwinkeln, wie er seine Sportsachen anzieht. Zuletzt knotet er sich ein schwarzes Stirnband mit einer Metallplatte um. Damit sieht er aus wie ein Manga-Ninja. Ich muss grinsen. Ausgerechnet in dem Moment guckt Kenji zu mir rüber – und grinst zurück.

    V on innen war das Haus meines Vaters interessanter, als man es sich bei dieser spießigen Wohnlage vorstellte. Das Wohnzimmer reichte vom Vorgarten bis nach hinten raus und hatte auf beiden Seiten riesengroße Sprossenfenster. Möbel standen nur ganz wenige drin, sodass der anthrazitgraue Granitboden noch besser zur Geltung kam. An der gesamten linken Zimmerwand zog sich ein maßgefertigtes Bücherregal entlang, das nur die Tür frei ließ. Darin standen gerahmte Fotos von Dominik, mir und meiner Mutter. Von unserem letzten gemeinsamen Urlaub in Lugano.
    Im Erdgeschoss gab es ansonsten nur noch die Küche, eine Art Speisekammer und ein kleines WC. Aber das Haus hatte noch eine obere Etage, und da hatte mein Vater sich einen Schlaf- und einen Arbeitsraum eingerichtet – und ein Gästezimmer. Es war nicht zu verkennen, an was für Gäste er dabei gedacht hatte. Er hatte meine alte Gitarre an die Wand gehängt. Mir war nicht mal aufgefallen, dass er sie bei seinem Auszug mitgenommen hatte. Und auf dem Schlafsofa lag das Sheepworld-Kissen, das Dominik früher immer bei längeren Autofahrten dabeigehabt hatte.
    Ich hatte einen furchtbaren, schmerzenden, ständig wachsenden Kloß im Hals. Mein Vater war nicht in der Lage, es selbst in Worte zu fassen, aber er ließ sein Haus für sich sprechen, und das sagte: Ich liebe euch, ich vermisse euch, ihr seid in meinen Gedanken immer ganz nah bei mir.
    Und nirgendwo ein Hinweis auf eine Mitbewohnerin. Es gab nicht mal eine zweite Zahnbürste im Bad, geschweige denn Haarschaumfestiger, Tamponschachteln oder Q10-Anti-Aging-Lotionen. Das sprach ja wohl auch eine deutliche Sprache: Entweder führte mein Vater eine megadistanzierte Beziehung – aber dafür war er echt nicht der Typ! –, oder aber diese Beziehung war längst vorbei. Bloß: Warum war er dann noch hier? Verdammt noch mal, warum kam er nicht zu uns zurück?

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    W ir fangen mit Warmlaufen an. Maxis Gesicht ist schon nach zwei Runden rot und fleckig von der Anstrengung. Und Kenji scheint Sport nicht besonders ernst zu nehmen: Er läuft zwar mit, aber ohne jeden Ehrgeiz, und zwischendurch macht er komische Sprünge und Hüpfer. Justus, Henning und noch ein paar andere dagegen stellen sofort klar, dass ihnen in Sachen Körperkraft keiner was vormacht. Sie rempeln die Langsameren gnadenlos aus dem Weg.
    Was mich angeht, war ich noch nie besonders scharf auf Sportunterricht. Ich meine, Fußballtraining, das ist was anderes, da hat man ja ein Ziel vor Augen und eine Mannschaft, mit der man siegen will. Aber

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