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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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meisten meiner Freundschaftsanfragen sind nach wie vor unbeantwortet, die einzige Neuigkeit ist ein «Gefällt mir» von Tatjana unter meinem Profilfoto.
    Ich klicke mich noch mindestens eine Stunde lang ziel- und lustlos durchs Internet, ohne zu wissen, was ich mir davon eigentlich erhoffe. Dann gehe ich wieder runter zu meinem Vater, der vor dem Fernseher eingenickt ist und sich schuldbewusst hochrappelt, als ich mich neben ihn setze.
    «Schlaf ruhig weiter», sage ich.
    «Ich hab nicht geschlafen», behauptet er.
    «Nee, klar», sage ich ironisch. Wir fangen an, uns wegen diesem Scheiß zu streiten. Total idiotisch! Ich gehe wieder hoch und lege mich schlafen, obwohl ich noch nicht müde bin.

    M it dem Kopfhörer saß ich an meinem Schreibtisch, als Dominik aufzuwachen schien. Sobald ich sein Gesicht sehen konnte, ließ ich meine Verteidigungsrede anlaufen. «Das mit Billie, das war bloß ein Mal. Ich hab direkt am nächsten Tag Schluss gemacht. Ich hab dir das nur deshalb nicht erzählt, weil ich dachte, du fährst auf sie ab. Und dann wärst du vielleicht, keine Ahnung, enttäuscht gewesen oder so. Aber diese Sache auf dem Video, die hatte überhaupt kein … die war total nebensächlich.»
    Aus Richtung Bett kam ein Zischen. Ich seufzte. Natürlich war nebensächlich ein blödes Wort, besonders für jemanden, der noch nie was mit einem Mädchen hatte. Vielleicht fühlte Nick sich jetzt doppelt verarscht. «Ich weiß nicht, warum die dir das gezeigt haben», fuhr ich fort. «Wahrscheinlich, weil sie genau das wollten, was jetzt passiert ist: dass du sauer auf mich bist. Ich hab die ganze Zeit drauf gewartet, dass Billie sich irgendwie an mir rächt. Die lässt sich doch nicht einfach so abservieren, das ist doch klar. Aber ehrlich, ich wollte nichts von ihr. Mir wäre lieber gewesen, wenn du … wenn sie mit dir …» Entmutigt brach ich ab.
    Nach ein paar Minuten kam die Antwort dumpf aus dem Bettzeug: «Von mir will sie aber auch nichts.» Ich biss mir auf die Lippen. Tut mir leid, tut mir leid, sorry, es tut mir so leid. Ich konnte die Worte nicht aussprechen, aber sie kreisten in meinem Kopf herum.
    «Scheiß drauf», sagte die Stimme aus dem Deckenhaufen, «ist sowieso ’ne Schlampe. Die kriegt ihre Quittung.»
    Und statt zu fragen, was mein Bruder damit meinte, war ich erleichtert . Ja, wirklich: erleichtert. Dass er offenbar drüber weg war. Dass er nicht mehr sauer auf mich war, sondern Billie als die eigentliche Schuldige erkannt hatte. Dass seine Enttäuschung in Wut umschlug. Ich dachte, mit Wut kann er bestimmt besser umgehen als mit Trauer.

[zur Inhaltsübersicht]
    51
    M itten in der Nacht wache ich auf und bin einen Moment lang orientierungslos. Ich suche nach dem zweiten Bett, nach dem mit meinem Bruder drin, und finde es nicht. Durchs Fenster scheint die Straßenlaterne rein, ich kann also alles erkennen, wenn auch nur in Grautönen, aber es kommt mir so fremd vor.
    Nach einer Weile weiß ich zwar wieder, wo ich bin, habe aber immer noch das Gefühl, irgendwie nicht am richtigen Ort zu sein. Am liebsten würde ich jetzt mit Nick reden. Keine Ahnung wieso. Ich glaube, ich hab soeben von ihm geträumt, jedenfalls kommt es mir so vor, als wären wir uns gerade noch ganz nah gewesen, auch wenn ich mich nicht im Einzelnen an den Traum erinnern kann.
    Ich klettere aus dem Bett, gehe ans Fenster und gucke runter auf die totenstille Straße. Dann mache ich mit mir selbst einen Deal, wie ich das früher als Kind öfter gemacht habe: Wenn innerhalb der nächsten fünf Minuten hier jemand zu sehen ist, finde ich an der neuen Schule Freunde und hab eine echt tolle Zeit vor mir.
    Der Radiowecker zeigt 3.04 Uhr. Ich warte gespannt. Kaum zu fassen, dass das hier Berlin sein soll! Immerhin sind zwei oder drei Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite erleuchtet, aber sonst gibt es keine Zeichen von Leben.
    Um 3.08 Uhr werde ich richtig traurig. Ich meine, das ist natürlich reiner Kinderglaube. Dieses Wenn-dann-Spiel hab ich zuletzt mit sieben oder acht gemacht. Aber wenn da doch irgendwas dran ist, muss ich mich wohl auf ein paar einsame Jahre gefasst machen.
    Und dann sehe ich eine Bewegung. In der Toreinfahrt gegenüber. Ich höre auch Geräusche. Da – schon wieder! Wer schleicht denn da mitten in der Nacht um die Mülltonnen rum? Hey, das wär natürlich der Burner, wenn ich jetzt zufällig ein paar Einbrecher entdecke …!
    Eine der Mülltonnen wandert plötzlich mehrere Zentimeter zur

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