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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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bockig, wie ein kleines Mädchen, das etwas ausgefressen hat und von seinem schlechten Gewissen gequält wird. Ich sagte gar nichts und guckte meinem PC beim Hochfahren zu.
    «Ich war nicht bei Andrea», fuhr meine Mutter fort. Da war so ein aggressiver Unterton rauszuhören.
    «Ja, hab ich kapiert», sagte ich genervt, ohne meinen Blick vom Bildschirm zu wenden.
    «Ich war bei Uwe», sagte meine Mutter. Halb erwartete ich, dass sie mit dem Fuß aufstampfte. Kein Plan, wer Uwe sein sollte. Ich kannte keinen Uwe.
    «Schön für dich», antwortete ich. Ich klickte sinnlos mit der Maus rum und zog die Augenbrauen hoch, als hätte ich gerade was ganz Spannendes auf dem Monitor gefunden.
    Meine Mutter stieß einen Frustlaut aus und stampfte wieder nach unten. Ich hörte sie unnötig heftig in der Küche rumklappern. Meine Schultern taten vor Anspannung weh, und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Es ist eigentlich nicht meine Art, Leute so zu behandeln, schon gar nicht meine Eltern. Ich bin schließlich der Gute. Aber irgendwie war ich total überfordert.

[zur Inhaltsübersicht]
    48
    N och bevor ich zu Hause angekommen bin, ruft meine Mutter an. Diesmal hat sie mehr Zeit. Das nutze ich aus, um sie zuzutexten. Mit dem Handy am Ohr schließe ich die Haustür auf, ziehe Schuhe und Jacke aus und gehe rauf in mein Zimmer. Es ist immer noch merkwürdig, in einen Raum zu kommen, wo niemand lebt außer mir.
    Wir wurden früher oft gefragt, warum wir uns ein Zimmer teilen, Nick und ich. Niemand konnte das verstehen. Es war ja noch nicht mal ein Platzproblem; wir hatten schließlich ein eigenes Haus, und es wäre gar kein großes Ding gewesen, für jeden von uns ein eigenes Zimmer einzurichten. Aber eigentlich wollten wir das nicht. Weder Nick noch ich. Ich fand das völlig okay so. Es hat mich beruhigt. Ich glaube, ich bin nicht besonders gern allein.
    Hier, bei meinem Vater in Berlin, muss ich mich erst mal dran gewöhnen, ein Zimmer für mich zu haben. Es irritiert mich, dass immer alles noch so daliegt wie beim letzten Mal, wenn ich reinkomme. Und dass es so kalt und leer ist und nach nichts riecht außer nach meinen Socken von gestern, falls ich vergessen habe, die in den Wäschekorb zu tun.
    Aber das sage ich meiner Mutter nicht, obwohl ich selbst jetzt, mit dem Handy in der Hand, wieder dieses komische Ziehen im Bauch spüre, als ich in mein Zimmer gehe. Ich sage ihr nur, dass ich jetzt mal langsam Schluss machen muss, weil ich noch keine Hausaufgaben gemacht habe. Und sie sagt das, was Mütter dann eben antworten: «Was? Na, dann aber mal ganz schnell!»

    Z uerst dachte ich, ich wäre mit meinem Stuhl umgekippt, als ich plötzlich das Gleichgewicht verlor. Ich riss die Augen auf und guckte genau in Dominiks wutverzerrtes Gesicht. Er hatte mich zu Boden geworfen und kniete auf meiner Brust, was an sich schon ziemlich ätzend gewesen wäre, selbst wenn er mir nicht zusätzlich noch irgendwas Stinkendes gegen die Lippen gedrückt hätte.
    «Hier, friss», fauchte er, «na los, mach mal den Mund auf!»
    Ich schaffte es, den Kopf lange genug wegzudrehen, um «Was ist das?» rauszupressen.
    «Hähnchenkeule. Aus der Mülltonne neben der Pommesbude. Komm, du stehst doch auf Gammelfleisch! Also rein damit!» Er versuchte weiterhin mit aller Gewalt, mir den schleimigen Knochen zwischen die Lippen zu pressen.
    Mir war schon klar, dass das irgendwas mit Billie zu tun haben musste. Mit seinem Erlebnis gestern Nacht. Ich hatte ja damit gerechnet, dass er mich in irgendeiner Form fertigmachen würde, wahrscheinlich hatte ich es sogar verdient. Aber ich war erschrocken, wie brutal er wurde. Und das mit dem Gammelfleisch kapierte ich auch nicht auf Anhieb.
    Ich gab mir jede Mühe, Nick von meiner Brust runterzukriegen, aber er war verdammt schwer und hatte sich so platziert, dass ich meine Arme nicht bewegen konnte. Ich wollte nach ihm treten, was aber aus diesem ungünstigen Winkel nicht klappte. Ich zappelte hin und her und probierte alles Mögliche aus, um mich zu befreien. Weil ich ab und zu vor Schmerzen und vor Ärger aufschreien musste, hatte Dominik tatsächlich schon Teile des grün schillernden Hühnerfleischs auf meine Zunge befördert. Ich spuckte sie aus. Er schob sofort mehr nach. Allein vom Gestank der Hähnchenkeule wurde mir kotzschlecht.
    «So fühlt sich das an», flüsterte Nick. «So ist das, wenn man das kriegt, was andere nicht mehr gebrauchen können. Was andere weggeschmissen haben. Geiles Gefühl, was?» Und

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