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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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mich irgendwie an eine Puppe.
    «Ja, ich musste gestern weg, tut mir leid. Also, ich hab eine Band, und wir haben da grad so ein Personalproblem, das heißt, wenn du Lust hast, kannst du ja mal zu einer Probe kommen und gucken, ob das was für dich wäre.»
    «Personalproblem …?»
    Kenji lächelt verlegen. Meine Fresse, ist der niedlich. Ich wünschte, ich wäre ein Mädchen, dann könnte ich mich in ihn verlieben. Oder nein, noch besser: Ich wünschte, er wäre ein Mädchen.
    «Tja, unser Gitarrist, also, der entwickelt sich nicht so richtig weiter, verstehst du? Der spielt immer noch dieselben fünf Akkorde wie vor einem Jahr. Und wir würden gern mal was Neues machen, aber das packt der nicht.»
    Kenji erklärt mir, dass er mit drei Jungs zusammenspielt, einem Schlagzeuger, einem Keyboarder und eben diesem Gitarristen, der bei den Proben immer wieder patzt und in letzter Zeit auch ganz oft absagt oder gar nicht erst auftaucht und der wahrscheinlich sowieso demnächst aussteigen will. «Wir machen so ’ne Art Elektrorock», sagt er. Ich habe jede Menge Fragen, er auch, und als es läutet, sind wir fast die Letzten auf dem Schulhof und sprinten in Panik los, kommen aber trotzdem zu spät zum Unterricht.

    I ch hatte angenommen, dass Billie mir in der Schule noch mal ein paar blöde Sprüche reindrücken würde, aber sie ignorierte mich nur auf betont schnippische Art. Einige von ihren Freundinnen kicherten allerdings, als ich auf dem Schulhof an ihnen vorbeiging. Auch Annabelle, auf deren Handy Nick sich das Video angesehen hatte.
    Daraufhin wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben gewalttätig gegenüber einer Frau. Oder jedenfalls so was Ähnliches. Ich war schon ein paar Meter weiter, aber plötzlich knickte in meinem Kopf irgendwas durch. Ich machte eine scharfe Kehrtwendung, schnappte mir Annabelles Schultertasche, kippte den Inhalt auf den Boden und trat mit dem Absatz gezielt auf ihr iPhone. Es knirschte. Sie kreischte. Ich ging.
    Noch nie hatte ich so sehr das Gefühl gehabt, das Richtige getan zu haben. Es war absolut befriedigend. Und es hat mir auch kaum was ausgemacht, dass ich wegen dieser Sache einen Granatenärger bekommen habe, erst mit der Schule, dann mit meiner Mutter und am Schluss auch noch mit irgendeinem windigen Anwalt, der wollte, dass wir für dieses lächerliche Handy eine totale Phantasiesumme abdrückten. Am Ende hat mein Vater tatsächlich bezahlt, und ich habe ihm versprochen, dass ich die Kohle zurückgebe, wenn die Burst Frenchies ihre erste Gage bekommen.
    Alle wollten natürlich wissen, warum ich so was Verrücktes getan hätte. Ich hab immer nur gesagt, ich wüsste es nicht. Deshalb musste ich ein Gespräch mit der Schulpsychologin führen, aber als ich ihr erzählte, dass meine Mutter einen zwanzig Jahre älteren Liebhaber hätte und mein Vater mit seiner Fitnesstrainerin nach Berlin abgehauen wäre, kam sie eigentlich gar nicht mehr auf das Handy zu sprechen.

[zur Inhaltsübersicht]
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    D er Wiesner trägt heute ein Beatsteaks-T-Shirt unter einem offenen Karohemd und ist nicht gerade begeistert, dass Kenji und ich zu spät zum Unterricht kommen. Dabei sind es doch nur ein paar Sekunden, er hat ja noch nicht mal seine Umhängetasche ausgepackt. Wir murmeln alle beide «’tschuldigung» und schleichen an unsere Plätze, und ich merke, dass der Wiesner mir mit den Blicken folgt, bis ich sitze. Außerdem ist es auffallend still in der Klasse. Wahrscheinlich grübeln alle angestrengt darüber nach, was ich und der kleine Ninja so Wichtiges miteinander zu besprechen hatten.
    Ich bin noch ganz euphorisch von unserem Gespräch. Das hörte sich nämlich alles übelst gut an, was Kenji da von seiner Band erzählt hat. Am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen und sie jetzt sofort kennenlernen. Das Musikmachen mit anderen fehlt mir total.
    Zufällig fällt mein Blick auf das Buch, das Maxi vor sich auf dem Tisch liegen hat, und mir wird augenblicklich eiskalt. Ich hab vergessen, mir die Lektüre zu besorgen und bis einschließlich Kapitel sechs zu lesen, was die Hausaufgabe zu heute war! O Scheiße!
    Das sind so diese Augenblicke, wo man sich am liebsten in Luft auflösen würde. Ich weiß ganz genau, dass der Wiesner mich gleich fragen wird, weil er mich wegen meiner Verspätung sowieso auf dem Kieker hat. Und das heißt, ich habe soeben meine Chance auf einen positiven ersten Eindruck megagründlich verbaselt. Wenn ich Pech hab, krieg ich bei diesem Lehrer das ganze

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