Klausen
Gerücht eigentlich stammte, desto exakter wurde es. Es wurden mehrere Gewehrmarken genannt von Klausnern, die sich mit Gewehren auskennen, und am Schluß sogar nur noch eine. Mit diesem Gewehr, hieß es, könne man ohne weiteres einem Menschen aus einer Entfernung von fünfhundert Metern mitten ins Herz schießen, auch bei schlechter Sicht oder fortgeschrittener Dunkelheit. Diese Gewehre seien bis zu ihrer Ausmusterung von ostdeutschen Sonderkommandos verwendet worden. Gassers Gewehr sei aus diesen abgestoßenen Beständen gekommen. Er habe den Umgang mit diesen Gewehren nämlich in Berlin gelernt, in seinen linken Zellen etcetera . Dort oben, auf jenem Stein sitzend, habe Gasser also vermutlich, hieß es, jenes Spezialgewehr testweise zusammengebaut, überprüft und wahrscheinlich einige fiktive Schüsse über den Eisack auf die andere Seite abgegeben, denn zur Überbrückung dieser Distanz, von einem Eisackufer zum anderen, sei das Gewehr von ihm und seiner Gruppe angeschafft worden. Beim Nussbaumer sagten sie, wenn Neri alles das nicht erkannt habe, dann liege das alleindaran, daß alle diese Italiener hier begriffsstutzige und vollkommen weltfremde Idioten seien. Giuseppe Neri ist zudem stark kurzsichtig. Und er hatte seine Aussage natürlich erst gemacht, nachdem die Photographie des länglichen, unweit des Silos gefundenen Pakets in der Zeitung zu sehen gewesen war. Gasser lief eine Stunde später, nachdem Neri alles das beobachtet haben wollte, durch Klausen, übrigens ohne ein Paket in der Hand. Gegen sieben Uhr betrat er den Keller . Im Vorderraum saßen einige Leute an Tischen mit weißen Tüchern und speisten zu Abend. Unter anderem saß dort Hanspaul Meraner mit seiner Frau. Meraner grüßte Gasser ohne irgendeine Auffälligkeit. Seine Frau hielt Gasser allerdings auf und überhäufte ihn mit irgendwelchen Fragen bezüglich seiner Schwester und dem berühmten Schauspieler X. Die Meraner fragte, ob Kati Gasser denn tatsächlich ein Verhältnis mit X habe? Aber Maria, sagte Meraner, das geht uns doch gar nichts an. Wieso geht mich das nichts an, fragte die Meraner. Es interessiert mich doch! Dieser X habe sie schon immer interessiert. Zu Gasser: Ich schaue nämlich alle Sendungen mit X. Neulich ist er in … aufgetreten, das sei nett gewesen (die Meraner nannte eine österreichische Fernsehsendung). Er habe dort gekocht. Es waren Rouladen, glaube ich. Rindsrouladen. Herr Meraner: Warum erzählst du das denn dem Josef? Sie: Wenn seine Schwester kein Verhältnis mit X habe, warum werde sie ihn dann heute abend küssen? Das sei doch eigenartig, das verwundert doch alle hier: plötzlich küßt sie ihn!Dabei habe gerade vor wenigen Wochen erst ihre Verlobung stattgefunden. Meraner: Im Fernsehen werde andauernd geküßt. Jeder küßt da jeden, das sei nicht die Wirklichkeit, das habe mit ihrer Verlobung gar nichts zu tun, also was sie da rede! Sie: Aber sie habe ihn vorher nie geküßt! Plötzlich stirbt er, und sie küßt ihn. Ganz plötzlich. Sie hat ihn vorher nie geküßt. Zweiundfünfzig Folgen ohne Kuß. Jetzt schau dir die Folge doch erst einmal an, sagte Meraner. Er zog seine Frau wieder an den Tisch zurück. Gasser lief weiter durch das Lokal in den eigentlichen Keller. Der hintere, tiefere Raum des Lokals ist ein altes Gewölbe, dort stehen aus Fässern gefertigte Tische, es gibt auch einige große Fässer, in die man sich hineinsetzen kann, zu dritt oder zu viert. Es war ziemlich verraucht, Gasser sah Auer allein an einem Tisch sitzen, an einem anderen Tisch befand sich Sonja mit Hans Moreth, dem Sohn des Stadtrats. An einem weiteren Tisch saß der Maler Pareith, jener Pareith, dessen in altem Stil verfertigtes Ölbild Stadtansicht Klausens überall als Postkarte an die Touristen verkauft wurde, auch Gasser verkaufte es nahezu Tag für Tag im Fremdenverkehrsverein. Sonst befand sich niemand im Raum. Gasser schloß die schwere Eisentür hinter sich. Der Raum hatte dunkle, erdige Farben, viel Holz, alte Gerätschaften an den Wänden. Über den Anwesenden leuchteten kleine Lampen, so daß die Gesichter in Lichtkegeln erschienen. Sonja und Moreth schauten zu Gasser hin, als dieser eintrat. Pareith saß da, rauchte eine Zigarre, einen Stumpen, und redete irgendetwas. Gasser verstand die Situation nicht sofort. Es schien ihm so, als redete Pareith die ganze Zeit auf Auer ein. Pareith sprach wie immer über Kunst, obgleich er nicht eigentlich ein Künstler war, eher ein Kunsthandwerker. Dennoch redete er
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