Klebstoff
Wullie hingegen wusste, dass seine Söhne ihn beim ersten Anblick sofort aus Sandras Zuneigung verdrängt hatten.
Wullie kam sich nun häufig nutzlos vor. »Vorgezogener Ruhestand« war zu einem Begriff geworden, der mehr als nur den Verlust eines Jobs bezeichnete. Er hatte kochen gelernt, damit er für Sandra das Essen fertig hatte, wenn sie von ihrer Teilzeitstelle als Haushaltshilfe zurückkam. Aber das genügte nicht. Wullie hatte sich zunehmend in seine eigene Welt zurückgezogen, was noch durch seine zweite große Anschaffung verstärkt wurde, einen Computer, dessen Funktionsweise er Duncan mit großer Begeisterung auseinander setzte.
Wie Wullie hatte auch Duncan Schwierigkeiten mit dem Leben ohne Arbeit, und er musste ziemlich knapsen, um ihr Häuschen in Baberton Mains abzuzahlen. Wenn Duncan ein gutes, solides Reihenhaus im sozialen Wohnungsbau hätte bekommen können, eins wie das von Wullie und Sandra, wäre er dageblieben, hätte es gekauft und renoviert. Die Wohnungen konnte man vergessen, aus denen ließ sich nichts machen. Aber das Geld war knapp. Carl half ihnen aus, mit seinem Club und seinem Job als DJ lief es gut. Duncan war es unangenehm, wenn der Junge ihm Geld gab; der hat sein eigenes Leben und eine eigene Wohnung in der Stadt. Immerhin hatte es ihn einmal davor bewahrt, die Wohnung zu verlieren. Bloß diese Musik! Was er da auflegte, war gar keine richtige Musik, das war nur eine Eintagsfliege, und sehr bald würden die Leute wieder richtige Musik hören wollen.
Es war kein richtiger Job, und lange anhalten würde es auch nicht, aber andererseits, welcher Arbeitsplatz war heutzutage schon ein richtiger Arbeitsplatz? In gewisser Weise mussten Wullie und Duncan sich eingestehen, dass sie froh waren, mit der Arbeitswelt nichts mehr zu tun zu haben. Das alte Werk hielt sich heute mit Ach und Krach als Hightech-Unternehmen und beschäftigte nur noch eine Hand voll Leute. Paradoxerweise waren die Arbeitsbedingungen noch um vieles schlechter geworden, vor allem die wenigen älteren Mitarbeiter, die die Rationalisierung überlebt hatten, waren sich einig, dass es keinen Spaß mehr machte. In dem Unternehmen herrschte eine Atmosphäre von Arroganz und Selbstgefälligkeit, dass man sich vorkam wie in der Schule.
Maria war in der Küche und half Sandra bei der Lasagne. Die Sorge um ihre Söhne war beiden Müttern gemeinsam. Heutzutage war die Welt an der Oberfläche wohlhabender als die, in der sie noch aufgewachsen waren. Und doch war ihr etwas verloren gegangen. Sie erschien ihnen hartherziger und unerbittlicher, eine Welt ohne Werte. Schlimmer noch, man konnte den Eindruck gewinnen, dass junge Leute gezwungen wären, sich, obwohl sie grundanständig waren, eine Geisteshaltung zuzulegen, die ihnen Bosheit und Verlogenheit erleichterte.
Die Frauen brachten das Essen an den Tisch, dann die Weinflaschen, obwohl Duncan und Wullie einen Blick wechselten und sicherheitshalber ihre roten McEwan’s-Export-Dosen festhielten. Sie setzten sich hin, um zu essen.
– Heute hört man nichts anderes mehr als Drogen, Drogen, Drogen bei diesen Raves und Clubs. Maria schüttelte bekümmert den Kopf.
Sandra nickte mitfühlend.
Duncan hatte das alles schon mal gehört. Damals in den Sechzigern hatte es geheißen, LSD und Cannabis würden die Welt zerstören, und sie waren trotzdem alle noch da. Aber nicht LSD hatte Fabriken, Bergwerke und Werften dichtgemacht. Es hatte auch keine Gemeinden zerstört. Drogenmissbrauch schien das Symptom einer Krankheit zu sein, nicht die Krankheit selbst. Er hatte es Maria nicht erzählt, aber Carl hatte ihn gedrängt, doch mal eine von diesen Ecstasy-Tabletten zu nehmen, und die Versuchung war für ihn viel größer gewesen, als er seinen Sohn hatte merken lassen. Vielleicht würde er es doch noch machen. Womit Duncan viel mehr Probleme hatte, war die seiner Ansicht nach kümmerliche Qualität der modernen Musik. – Das ist doch keine Musik, das ist Nonsens. Zeugs von anderen Leuten klauen und es ihnen als etwas Neues zu verkaufen. Diebstahl, Musik des Thatcherismus, das ist es. Kinder des verdammten Thatcherismus sind das, ist doch wahr, schimpfte er.
Sandra dachte an Billy. Mit Drogen hatte er nichts zu tun, aber ihr kleiner Junge verprügelte hauptberuflich andere Menschen. Sie wollte nicht, dass er Profiboxer wurde, aber er verdiente gut und hatte Erfolg. Sein letzter Kampf war in Fight Night auf STV gezeigt worden. Einen explosiven Sieg hatte es der Experte genannt. Aber
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