Klebstoff
Sonne sticht mir in die Augen. Als der Boden vor mir eben ist, schließ ich mit nem Sprint ab, so richtig in den Trainingskick rein, ein Gefühl, als käm man auf ne Pille drauf. Ich bin stehn geblieben und fülle meine Lungen mit der kühlen Luft, während ich überleg, wenn Cookie in Custom House oder Morgan in Port Talbot dasselbe versuchten, würden die armen Säcke nicht lang durchhalten, wenn sie danach mit mir in den Ring steigen. Ronnie wischt mir den Schweiß mit nem Handtuch ab, hilft mir, mich warm einzupacken, als wär er ne junge Mutter und ich sein Erstgeborener. Dann fahrn wir mit dem Wagen zurück in den Club.
Mit Ronnie gibt’s lange Schweigephasen. Ich mag das, denn ich brauch Zeit, um mir über bestimmte Sachen klar zu werden. Ich mag es nicht, wenn der ganze Scheiß des modernen Lebens einem durch die Rübe rauscht. Ist echt die Härte und raubt einem die Energie. Die wahren Kämpfe werden im Kopf ausgetragen, das ist und bleibt so. Und man kann den Kopf genauso trainieren wie den Körper, sich trainieren, den ganzen Scheiß, mit dem man tagtäglich bombardiert wird, auszusieben oder zu begraben.
Die Gedanken bündeln.
Sich konzentrieren.
Es nicht an sich ranlassen. Niemals.
Natürlich kann man sich’s leicht machen und sich mit Smack oder Alkohol abfüllen wie gewisse andere Leute. Die ham sich schon vor Jahren aufgegeben, die jämmerlichen Loser. Wenn man keine Selbstachtung mehr hat, hat man nichts mehr.
Ich hoffe, Gally is endgültig runter von dem Scheißzeug.
Mit Ecstasy is das was anderes, aber keiner weiß, was das für Spätfolgen hat. Andererseits: Es weiß jeder, was Kippen und Bier für Spätfolgen haben, und trotzdem hat’s keiner eilig, die zu verbieten. Was können Eckys schon großartig anderes mit einem machen: einen zweimal umbringen?
Ronnie schweigt immer noch. Is mir nur recht.
Die Welt sieht gut aus, wenn man auf Ecstasy ist und zu Carls Musik in seinem Club tanzt, auch wenn er n bisschen zu robotisch geworden ist, wie er das nennt, zu technolastig für meinen Geschmack; mir gefiel es besser, als er noch mehr auf so nem souligen Trip war. Naja, sind ja seine Nummern, und er macht sich gut. Er wird beachtet, wird respektiert. Wenn man mit ihm durch die Läden geht, durch die Clubs, dann merkt man, dass wir nicht mehr nur zwei x-beliebige Asseln sind, wir sind DJ N- SIGN und Business Birrell, der Boxer.
Uns wird heute derselbe Respekt entgegengebracht wie früher unseren Vätern, weil sie Malocher waren, wegen ihrer Arbeit in der Fabrik. Heute werden solche Leute, Typen, die mal als Salz der Erde galten, für Flaschen gehalten.
Ronnie ist auch einer von dem Schlag. Vor Jahren von den Werften in Rosyth entlassen worden. Jetzt ist der Boxsport sein Leben. War’s vielleicht immer schon.
Mich und Carl hält keiner für Flaschen. Aber was die Eckys angeht: Das müssen wir runterschrauben. Wir werfen alle zu viele, außer Terry vielleicht, um fair zu sein, was die Leute ihm gegenüber selten sind. Aye, die Welt sieht klasse aus, wenn man auf E ist, aber vielleicht haben der Junkie mit seinem Smack oder der Penner mit seiner lila Dose Tennent’s oder seiner Flasche Billigwein am Anfang das Gleiche gesagt.
Schweigen ist Gold, hm, Ronnie, alter Knabe?
Aber das hier unterscheidet sich von Ronnies sonstigem Schweigen. Er denkt über was nach, und ich weiß auch, über was. Ich dreh mich zu ihm, seinem Silberhaar, seiner Visage: ein knallrotes Säufergesicht. Der Witz ist, dass Ronnie Abstinenzler ist und alles bloß vom Bluthochdruck kommt. Pech, so was. Man käm nie drauf, denn Ronnie macht nicht viele Worte. Es muss sich alles in ihm drin abspielen. Vielleicht werd ich auch so, man sagt, wir wärn uns ähnlich, und Ronnie meint, wir würden oft für Vater und Sohn gehalten. Ich hör das nich gern, er is nich mein Vater und wird’s nie sein. Aber wenn man sich das vorstellt: Da renn ich acht Meilen am Tag, und trotzdem hat Juice Terry in n paar Jahren ne gesündere Gesichtsfarbe als ich. Naja, Pech. Vergessen wir’s. Das is die Härte.
Da! Ronnie spricht! Stoppt die Druckerpressen! – Ich wünschte, du würdest dir das mit dem Urlaub nochmal überlegen, Billy, sagt er. – Wir müssen Opfer bringen, Junge.
WIR mal wieder.
– Alles fest gebucht, erklär ich ihm.
– Ich mein ja nur, redet Ronnie weiter, – wir müssen wirklich unsere Kondition halten. Dieser Morgan, das is keine Flasche. Der hat Stehvermögen und n Kämpferherz. Erinnert mich an Bobby Archer,
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