Kleider machen Bräute
still«, sagte Molly und musterte Pascal, der jetzt wieder bedrückt wirkte. »Diese Reise ist ziemlich sonderbar, nicht wahr?«
Pascal nickte traurig. »Ich habe kein Geschick für solche Situationen. Ich kann nur hilflos zusehen, während Simon der große Held auf dem Motorschlitten ist.«
»Ach, jetzt komm schon!« Molly legte ihm den Arm um die Schultern. »Simon mag so was offenbar. Aber es ist nun mal nicht das, wobei du dich wohl fühlst – und ich mich übrigens auch nicht. Ich würde auch lieber mit einem Cocktail in der Badewanne sitzen.«
»Entschuldigung?«
Molly und Pascal drehten sich um. Hinter ihnen stand Simon und hielt die Zugfahrkarten in der Hand.
»Vollbäder und Cocktails stehen durchaus auch auf meinem Radar.«
Molly wurde verlegen. »Oh, Simon, es tut mir leid, wenn ich Ihre Gefühle verletzt habe.«
»Sie hat nur versucht, mich aufzumuntern, weil ich da draußen zu nichts nutze war«, fügte Pascal hinzu.
Simon zuckte mit den Schultern und setzte sich. »Ach, vergessen Sie’s. Wir hatten alle einen fürchterlichen Tag.«
Er reichte den beiden ihre Fahrscheine. Molly, die sich beschämt und gemein vorkam, suchte nach etwas Nettem, das sie sagen konnte.
»Sie haben das heute toll gemacht, Simon. Vielen Dank. Ohne Sie wären wir niemals so weit gekommen. Und … es tut mir leid, dass ich Ihnen wegen des Kleids so zugesetzt habe.«
»Vergessen Sie’s. Es ist ja nun vorbei.« Er sah sie lächelnd an und zeigte nach unten auf den Karton. »Sie wollen es doch bestimmt mal sehen?«
»Und wie«, seufzte Molly. Sie sah sich in der Bahnhofshalle um. Es wirkte recht sauber hier. Sie biss sich auf die Unterlippe und sah Pascal an. Der lächelte und nickte.
»Ich werde es nicht verraten«, sagte er.
»Wir passen gut auf, das es nicht den Boden berührt, okay?«, versicherte Molly verschwörerisch.
»Das kriegen wir hin.« Pascal lächelte. »Na los, du wartest schon lange genug.«
Molly machte sich über den Karton her, in den Julien das Kleid verpackt hatte, riss den Klebestreifen ab und hob vorsichtig den Deckel.
Molly zitterte vor Aufregung. »Es muss ja immer noch in dem Kleidersack stecken … oh!«
Pascal schlug den Deckel ganz auf, und sie schauten alle drei in den Karton. Ein lächelndes Fellgesicht starrte ihnen entgegen.
»Merde!«
Der Teddybär, den Julien für Gabriella gekauft hatte, war in der Tat sehr groß. Jedenfalls so groß, dass er ihn in einen Karton steckte, der aufs Haar dem glich, den Julien für das Kleid verwendet hatte.
»Mon Dieu«, flüsterte Pascal und fächelte sich mit dem Fahrschein Luft zu.
»Sagt mir, dass es nicht das ist, wofür ich es halte.« Molly überlegte, ob es nicht das Einfachste wäre, auf der Stelle umzufallen und drei Tage so zu tun, als läge sie im Koma.
»Mein Kleid«, winselte Pascal, ließ den Deckel zufallen und sich auf einen Stuhl fallen. »Mein wunderschönes Kleid!«
»Er muss Gabriella Caitlins Kleid gegeben haben!«, jammerte Molly. »Das ist eine Katastrophe!«
»Moment mal.« Simon war aufgesprungen und zeigte in Richtung Ausgang. »Hat Julien nicht etwas von Tan ken gesagt? Vielleicht erwischen wir ihn noch. Möglicher weise ist das Kleid immer noch im Postauto!«
»Pass auf die Koffer auf!«, rief Molly Pascal zu, als Simon ihre Hand nahm und sie zusammen zum Ausgang rannten. Der Sicherheitsbeamte warf nur einen kurzen Blick auf sie und ließ sie dann ihrer Wege ziehen. Vielleicht passierte es hier ja ständig, dass junge Paare schreiend aus dem Gebäude rannten.
Draußen schlug ihnen ein eisiger Gebirgswind entgegen. Hektisch sahen sie sich um.
»Da!«, rief Simon, »ist er das nicht?«
Molly schaute in die Richtung, in die Simon zeigte – eine Tankstelle zu ihrer Rechten. Julien war gerade dabei, von einer der Zapfsäulen wegzufahren.
»Julien!«, rief Molly, aber ihre Stimme wurde vom Wind und vom Straßenverkehr weggetragen.
Die Angst schien ihr Flügel zu verleihen. Sie ließ Simons Hand los und sprintete auf das Postauto zu.
»Vorsicht!«, schrie Simon, aber sie ignorierte ihn. Glück licherweise hatte Julien den Blinker in ihre Richtung gesetzt und kam auf sie zugefahren.
»Er kommt!« Molly wedelte hektisch mit den Armen durch die Luft, aber aus irgendeinem Grund sah Julien sie nicht.
»Stopp!«, schrie sie noch einmal und trat dann ohne zu überlegen einfach auf die Straße – direkt vor das Postauto.
»Molly!«, brüllte Simon.
Julien musste voll auf die Bremse treten. Mit weit aufgerissenen
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