Kleider machen Bräute
Arm. Falls das überhaupt möglich war, schien Pascal noch entsetzter zu sein als sie selbst. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf die Erscheinung vor sich und schlug die Hände vors aschfahle Gesicht.
»Wir spielen Räuber und Gendarm!«, sagte Molly geistesgegenwärtig. »Hände hoch!«, rief sie und ging auf das Kind zu. »Na los, Hände hoch!«
Verunsichert schaute Gabriella ihre Mutter an, die ihr vorsichtig den Kuchen aus der Hand nahm, wie aus dem Nichts ein Tuch herbeizauberte und der Kleinen damit die Finger abwischte.
»Ich … muss mal an die frische Luft«, stammelte Pascal. »Das ist zu viel für mich. Ich muss telefonieren …« Er stolperte aus dem Zimmer, kramte in seiner Tasche nach dem Handy und murmelte auf Französisch vor sich hin.
Molly blickte von ihm wieder auf das Kleid zurück. Schokoladenflecken konnte sie keine entdecken, was sie ein klein wenig aufatmen ließ.
Julien brachte Gabriellas richtiges Geschenk herein. »Mein Liebes«, sagte er und kniete sich vor seinem Enkelkind auf den Boden. »Das hier ist mein richtiges Geschenk für dich. Ich fürchte, dein dummer alter Opa hat einen Fehler gemacht und das Kleid ist gar nicht für dich.«
»Oh!«, entfuhr es Elizabeth.
»Es ist das Hochzeitskleid meiner Schwester«, sagte Molly leise. »Die beiden Kartons wurden vertauscht.«
Elizabeth schien sofort zu verstehen. »Ich hatte mich schon über dieses ungewöhnliche Geschenk gewundert«, flüsterte sie Molly zu und ging dann zu ihrer Tochter. »Liebling«, sagte sie mit sanfter Stimme, »dieses Hochzeitskleid ist nicht dein Geschenk. Da hat es einen kleinen Irrtum gegeben. Dein Geschenk ist da drüben.« Sie zeigte auf die Verpackung, die so groß war, dass Gabriellas Großvater dahinter verschwand.
»Aber ich mag das Kleid!«, jammerte Gabriella. »Ich bin eine Prinzessin! Und darf ich meinen Kuchen wiederhaben?«
Inmitten all dieses Chaos begann Molly, Details des Kleides in sich aufzunehmen. Elfenbeinfarbener Satin, verziert mit Strass und Perlen, eine enge, tief ausgeschnittene Korsage. Das Kleid war zweifellos wunderschön und vorzüglich gearbeitet, so viel konnte sie erkennen, auch wenn es von einem Model vorgeführt wurde, das so klein war, dass es fast darin verschwand. Und dennoch war es in keiner Weise das, was Molly erwartet hatte.
Prächtig und opulent, war es ein Kleid für einen Filmstar, nicht für ein hübsches, kluges Yorkshire-Mädel wie Caitlin. Dieses Kleid war eine Stellungnahme. Molly schüttelte den Kopf. Mann – ihre Schwester hatte sich verändert, das stand mal fest. Oder hatte Francesco sie verändert? Morgen würde Caitlin aufs Ganze gehen und mit diesem Kleid sämtliche Paparazzi überwältigen. Nun, dann sollte es so sein. Es war Caitlins Tag, und sie hatte das Recht, selbst zu entscheiden. Molly hoffte, ihre Schwester überhaupt wiederzuerkennen, wenn sie sie sah.
»Gabriella?« Molly wagte einen Vorstoß. »Du siehst sehr hübsch aus und hast wirklich ein Riesenglück, dass du dieses wunderschöne Kleid anprobieren durftest. Aber nun muss es zu seiner richtigen Besitzerin, die heiratet nämlich morgen. Weißt du, dieses Kleid hat ein berühmter Modeschöpfer entworfen: Delametri Chavalier!«
Diese Information blieb bei dem kleinen Mädchen wirkungslos. Und bei ihrer Mutter ebenfalls, das verrieten zwei verständnislose Gesichter, die auf Mollys Enthüllung folgten. Molly änderte die Taktik.
»Würdest du es jetzt bitte ausziehen? Soll ich dir dafür ein bisschen Geburtstagsgeld geben? Und oh, sieh nur!« Sie zeigte auf die Schachtel mit dem Teddy. »Da ist noch ein Geschenk zum Auspacken.«
Gabriellas Unterlippe begann bedrohlich zu zittern. Hilfesuchend blickte sich Molly nach Simon um.
Er ging zu Gabriella und kniete sich vor sie.
»Süße«, sagte er mit sanfter Stimme. »Du siehst wun derschön aus in dem Kleid. Wie eine richtige Prin zessin.«
Gabriella strahlte ihn an.
»Aber weißt du was? Dieses Kleid wurde für eine echte Prinzessin genäht. Kannst du dir das vorstellen?«
Simon meinte damit wohl Prinzessin Caitlin. Molly bekam das freche Grinsen mit, als Simon kurz in ihre Richtung blickte, und musste trotz allem lächeln.
»Eine echte Prinzessin«, fuhr Simon fort, »die morgen heiratet.«
»In einem Schloss?« Die Augen der Kleinen wurden immer größer.
»Ich denke schon«, antwortete Simon und blickte fragend zu Molly, die mit den Schultern zuckte. Sie wusste es auch nicht. »Meinst du nicht, dass sie dafür ihr
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